28. Oktober 2011 Lesezeit: ~4 Minuten

Die erste Kamera vergisst man nicht

Meine erste eigene Kamera war eine Praktica L aus den Pentacon Werken in Dresden. Ich hatte sie damals für 10 Euro bei Ebay erstanden und war mächtig stolz. Sie konnte mir weder die Belichtung sagen, noch irgendetwas anderes mitteilen.

Ich war ganz auf mich gestellt und fand in der Kamera einen guten Lehrer. Damals habe ich viel fotografischen Mist verzapft. Über- oder unterbelichtete Filme, höhnisches Gelächter von Freunden, Kopfschütteln meines Vaters. Ich hangelte mich von der Blende-16-Regel (bei ISO 100 und sonnigem Wetter: Blende 16 und 1/125) hoch und runter.

An eine Missetat erinnere ich mich besonders. Ich führte meine Kamera das erste Mal aus und hatte eine Freundin im Café fotografiert. Durch den Sucher sah die Szenerie zum Niederknien aus. Auf dem Film waren es dann ein dunkler Raum und die Silhouette eines Menschen – mit ganz viel Fantasie.

Damals war ich kurz davor, wieder aufzuhören. Bringt ja nichts, ich bin zu blöd dafür, ich kann mir die Blenden und Zeiten nicht merken. In meinem Kopf ist ein großer BlendenZeitSalat. Und neben Nerven kostet das auch noch Geld.

Aber ich bin dabei geblieben. Wenn ich etwas nicht kann und davon überzeugt bin, es nie zu können, dann höre ich auch auf. Ich bin Realist, manchmal. Aber die Kamera ließ mich nicht los. Es gab nämlich auch diese schönen Momente.

Wenn mal alles stimmte, wenn ich ein Bild gemacht hatte, das mich packte und zwar so sehr, dass ich es an der Wand haben wollte. Dann war alles richtig und die schlechten Momente waren kurzzeitig vergessen.

Ich kann die Filme nicht mehr zählen, die ich damit verschossen habe, aber ich erinnere mich an den Moment, als ein Film plötzlich mehr als nur zwei bis drei gute Bilder hervorzauberte.

Plötzlich war da fast ein halber Film mit guten Bildern. Nichts, was man in Galerien aufhängt, aber immerhin etwas, das ich zu Geburtstagen mal rahmen und jemandem schenken konnte, ohne mich dafür zu schämen.

Aller Anfang ist schwer und muss es auch sein. Für mich war und ist es wichtig. Denn heute noch verzapfe ich Mist. Vergesse, die Blendenkorrektur zurückzustellen, sodass der Diafilm es mir mit scheußlichen Farben dankt.

Dann formt sich in mir wieder das Gefühl von damals, es nicht zu können. Dann möchte ich aufhören und die Kamera verkaufen, um das peinliche Gefühl ganz schnell wieder vergessen zu können.

Aber die Kamera ist ein guter Freund geworden. Heute fotografiere ich kaum noch mit der Praktica. Sie liegt, mit einer feinen Staubschicht überzogen, oben auf dem Schrank. Ich hab sie eingetauscht gegen eine andere, die es mir ein wenig einfacher macht.

Ich weiß aber auch, dass sie mir diesen Wechsel verzeiht. Sie wartet einfach geduldig auf den nächsten Menschen, der mit ihr lernen möchte, wie man aus Zeit und Raum ein schönes Foto zaubert.

Die „Neue“, eine Canon A-1, ist nun zur Herzkamera geworden. An ihr probiere ich aus, was ich zuvor gelernt habe. Ich habe ein Gefühl für Zeiten bekommen und bei bestimmten Lichtverhältnissen überlege ich selbst erstmal, welche Blende und Zeit das jetzt wohl sein mag. Und freu mich wie ein Kind, wenn es mit der Messung der A-1 übereinstimmt.

Aber vor allem bin ich sicherer geworden, spiele quasi mit verbundenen Augen mit Licht und Schatten, experimentiere auch mal und entscheide mich für meine eigene „Messung“, statt für die, die mir die Kamera sagt.

Welche Kamera war Eure erste Kamera, mit der Ihr bewusst fotografiert habt? Was hat sie Euch gelehrt?

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