19. Oktober 2011 Lesezeit: ~3 Minuten

Erinnerung und Verklärung

In den letzten Tagen habe ich mir aufgrund der bemerkenswerten, aber auch besorgniserregenden Ereignisse im Orient meine eigenen Fotografien noch einmal angeschaut, die ich bis in das letzte Jahr hinein dort gemacht habe.

Ich habe mich gefragt, was diese Fotografien wohl offenbaren. Sind es Erinnerungen, Dokumentationen oder gar Verklärungen einer Kultur, die unserer europäischen Seele so fremd, aber gleichzeitig so anziehend für sie sind?

Es ist wohl beides. Ein Fotograf macht ein Bild, wie er es sieht und der Betrachter sieht es, wie er es nur sehen kann. Beides sind subjektive Wahrnehmungen einer Sache, eines Momentes, eines Ortes. Der Fotograf hat die Mittel, Dinge zu verschleiern, zu verstecken oder zu offenbaren. Er gestaltet das Bild, wählt den Ausschnitt und macht die Fremde fassbarer.

Zeitgleich kann solch eine Fotografie aber auch eine Kultur verklären, romantisieren oder sogar Gegenteiliges bewirken. Der Betrachter ist immer wieder derjenige, der entscheiden muss, was er sieht. Dafür stehen ihm Kopf, Herz und das Bauchgefühl offen und so enthält ein Bild mehrere Nuancen der Wirklichkeit.

Als ich mich für längere Zeit in Kairo aufhielt, kam ich nicht umhin, auf die alten Fotografien von Lehnert und Landrock zu stoßen. Lehnert, der Fotograf, der die Liebe zum Orient früh entdeckte, fand in Landrock den richtigen Geschäftsmann, um gemeinsam einen Fotoladen  zu eröffnen.

Anfangs noch in Tunis, nach dem Ersten Weltkrieg dann in Kairo, verkauften sie Fotografien und Postkarten, die das Landleben der im Orient lebenden Bevölkerung zeigten und die Sehnsucht der Europäer nach dem Andersartigen und Verklärten bedienten. Darüber hinaus sind es aber auch heute noch Dokumente einer Zeit mit vielschichtiger Bedeutung.

Was ich an den Fotografien aber so fesselnd fand, war, dass die Welt, die sie zeigten, auch die war, in der ich mich über 100 Jahre später ebenfalls wiederfand. Die Menschen auf dem Land trugen eine ähnliche Tracht. Männer, mit Turban und Galabiyya bekleidet, in Straßencafés, oder draußen in der Wüste, in die Ferne blickend.


Andreas Paasch, Ägypten, Kairo 2011, Zeit für Veränderungen

Aber so verklärend und warm sich der Orient mir zeigte, so sah ich natürlich auch andere Bilder. Die, die an den Rändern ausfransen und da beginnen, wo der Fotograf seinen Apparat wieder in der Tasche verschwinden lässt bzw. lassen muss oder diesen Part dem Fotojournalisten überlässt.


Andreas Paasch, Ägypten, Kairo 2011, der Präsident geht

So sind Bilder aus dem Orient für mich immer Bilder mit mehreren Wirklichkeitsschichten, die übereinander oder nebeneinander herlaufen. Und hin und wieder ist ein Bild eben nicht genug und muss mit dem eigenen Rundumblick vervollständigt werden.

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