03. Oktober 2011 Lesezeit: ~5 Minuten

Fotografieren mit der Fachkamera

Fotografieren mit der Fachkamera ist langsam und aufwendig, alles ist manuell. Man benötigt immer ein Stativ und einen extra Belichtungsmesser. Man schleppt mindestens 10kg Equipment und ein Farbfoto kostet etwa 6€ mit Entwicklung. Es mag also etwas verrückt klingen, im Zeitalter kleiner und leichter Digitalkameras diesen Aufwand zu betreiben.

Doch für mich ist es die Kamera mit dem höchsten Spaßfaktor. Das langsame, präzise Arbeiten zwingt einen dazu, mehr über das Bild nachzudenken, gleichzeitig hat man volle Kontrolle über den ganzen Prozess.

Die Arbeitsweise hat etwas Nostalgisches, man arbeitet wie zu Zeiten der Anfänge der Fotografie. Heutige Fachkameras basieren immer noch auf dem gleichen Prinzip wie damals, verbunden mit modernen Objektiven und Filmen lassen sich Bilder produzieren, die eine ganz besondere Qualität haben.

Für Architekturfotografie hat die Fachkamera aber einen unschlagbaren Vorteil, denn mit allen Objektiven kann man shiften und tilten. Stürzende Linien sind schnell und präzise ausgeglichen – zudem lässt sich auf der großen Mattscheibe das Bild sehr gut betrachten, sodass man gern mehrere Minuten damit verbringt, die Komposition zu verändern.

Das Bild entstand mit einer Sinar F2, Rodenstock Grandagon 4.5/90mm bei f/20, 1/8s auf Adox Pan25 4×5″ bei ISO 12.5. Den Film habe ich in Rodinal entwickelt. ISO 12.5 ist hilfreich, um auch bei strahlender Sonne auf eine recht lange Belichtungszeit zu kommen, die Bewegung etwas weichzeichnet.  90mm ist ein Weitwinkel an 4×5″, etwa 24mm an Vollformat, man kann es sich wie einen umgekehrten Cropfaktor vorstellen, da das Filmformat ja größer als Kleinbild ist.

4×5″ ist das beliebteste Format, auch 8×10″ wird gerne benutzt und es gibt einige wenige Leute, die Kameras bis zu einer Filmgröße von 20×24″ (50x60cm) gebaut haben. Schon die Auflösung von 8×10″ ist phenomenal – ein Dia auf dem Leuchttisch sieht fantastisch aus und ein Scan von 300-400MP bietet riesigen Spielraum.

Zuhause lädt man den Film in Kasetten, so wie es schon vor 130 Jahren gemacht wurde. Eine Kassette fasst zwei Blätter, wodurch man sich schon von Anfang an auf eine bestimmte Anzahl an Fotos beschränkt. Wenn man sich nun entschieden hat, ein Bild zu machen, sind einige Handgriffe nötig:

Blende und Zeit einstellen, Verschluss schließen und spannen, Kasette einlegen, Schieber ziehen und auf den Auslöser drücken. Mit etwas Übung geht das schnell von der Hand, aber schon ein kleiner Fehler führt fast immer dazu, dass man Ausschuss produziert hat.

Man kann den Film nun ins Labor geben oder selbst entwickeln. Farbprozesse lohnen sich nur bei größerem Volumen, da die Chemikalien sich nicht sehr lange halten, führen aber zu guten Ergebnissen, wenn man sorgfältig arbeitet.

Die Schwarzweiß-Entwicklung verzeiht viele Fehler, C41 und E6 brauchen präzise Temperaturen und Zeiten. Aber dennoch dauert der C41-Prozess nur knapp 15 Minuten bis das Bild am Trocknen ist. Und man spart viel Geld bei der Entwicklung, wenn man wenigstens 10 Bilder im Monat macht, um die Chemie auszunutzen.

Scannen kann man, womit man möchte, selbst günstige Scanner, die bei Kleinbild ihre Schwächen haben, liefern brauchbare Ergebnisse. Durch die große Auflösung fällt eine leichte Unschärfe beim Scannen weniger auf, um an alle Bildinformationen zu kommen benötigt man aber trotzdem einen Trommelscan.

Staub ist ein großes Problem. In der Kamera, im Wechselsack, in den Kassetten, beim Trocknen und beim Scannen sammelt sich einiges an, wenn man nicht penibel auf Sauberkeit achtet. Ich habe schon öfter mehrere Stunden damit verbracht, Staub zu retuschieren. Unter einer Stunde meditativer Staubretusche bleibt man aber selten.

Schwarzweiß-Film hat viele Reserven, so dass man nach dem Scannen noch großen Spielraum für die Bearbeitung hat. Ich habe mich hier auf einige wenige Tonwertkorrekturen beschränkt und die störende Laterne entfernt.

Wenn man den Arbeitsaufwand, den solch eine Kamera mit sich bringt nicht scheut, ist Großformat eine echte Alternative zur heutigen Technik. Besonders Architekturfotografie ist ein klassisches Anwendungsgebiet, aber auch Portraits, Stills oder Landschaften profieren von den Stärken einer Fachkamera.

Zudem sind die Anschaffungskosten für gebrauchte Fachkameras extrem gering. Für den Preis einer modernen Consumer-DSLR bekam ich eine Sinar mit 3 Rodenstock-Objektiven und massig Zubehör. Dieses System liefert in etwa die Qualität eines 40MP-Digitalrückteils zu einem Bruchteil des Preises.

Für mich ist aber die ruhige, kontemplative Arbeitsweise zusammen mit dem besonderen Look der Hauptgrund, warum ich mit Großformat arbeite. Fotografieren mit kleineren Formaten zwingt einen nicht dazu, sich zurückzulehnen und über das Bild nachzudenken, bevor man abdrückt. Ein Luxus, den man in vielen Teilbereichen der Fotografie gar nicht erst hat.