23. September 2011 Lesezeit: ~4 Minuten

Auftragsportraits

2006 bat mich ein guter Freund und Musiker, ein paar Fotos von ihm zu schießen. Bis dato hatte ich nur ab und an Schnappschüsse gemacht, wenn Freunde zusammensaßen, mich aber nicht ans Fotografieren von Menschen getraut.

Gleich beim ersten Versuch musste ich feststellen, dass es mir wesentlich leichter fällt, wenn man einen guten Draht zum Modell hat – dazu hatte er ein markantes Äußeres und war ein großartiger Mensch mit einem sehr entspannten Gemüt – kurz und knapp: Beste Voraussetzungen, um sich an etwas Neues zu wagen.

Wenn ich mir dieses Foto nun ca. fünf Jahre später anschaue, erkenne ich ein paar Merkmale, die auch heute oftmals meine Fotos ausmachen: Eine klare Aufteilung und eine eher ruhige und reduzierte Bildsprache.




Finn Martin (†) | 06/2007

Die Postproduktion machte ich mit Photoshop (Damals habe ich noch im JPG-Format fotografiert), ein wenig zurechtschneiden, Linien gerade ausrichten, in Schwarzweiß umwandeln und die Kontraste anpassen.

Da mein Stil natürlich und unverfälscht ist, kamen recht schnell Schauspieler und einige Musiker auf mich zu, da sie regelmäßig neue Fotos und für Agenturen und Presse benötigen. Bei jedem Shooting versuche ich, einen guten Mix aus Pflicht und Kür zu leisten, sodass der Kunde einerseits bekommt, was er auf jeden Fall braucht, man aber parallel gute Fotos mitnimmt, die sich während einer Session anbieten und somit Besonderes entstehen lässt.



Generell arbeite ich bevorzugt in einer lockeren Atmosphäre, stets Outdoor oder on Location und immer mit vorhandenem Licht. Dadurch kann ich recht spontan und flexibel ans Werk gehen, erhalte viele echte Momente, die oft nicht beabsichtigt sind und spontan entstehen, da die Motive nicht lange arrangiert werden müssen.

Ich rede viel mit den Menschen, die ich fotografiere. Sehe sie nicht als Modelle, sondern als jemanden, der einen Augenblick teilt. Man sucht gemeinsam Motive, folgt spontanen Ideen. Ich teile meine Vorstellungen mit, warte aber auch gerne ab und schaue, was mir jemand anbietet. Ich freue mich, wenn etwas aus dem Moment heraus passiert, sich jemand z.B. auf einen Bordstein setzt, wie er sich auch im Alltag setzen würde und nicht extra versucht, zu posieren.



Zum Großteil erledige ich Auftragsarbeiten so. Darüber hinaus suche ich mir ab und an interessante Menschen, die mich reizen. Dann experimentiere ich gerne, versuche Neues, das ich später im Alltag übernehmen kann.

Das zweite Bild ist im Sommer 2011 entstanden. Pia kenne und fotografiere ich schon einige Jahre. Alle paar Monate ziehen wir los, gehen immer an neue Locations. Ich vertraue ihrem guten Klamottengeschmack.

Dazu kam bei dieser Session Raoul, ein befreundeter Friseur, der sich ohne viel Aufwand um Haare etc. kümmern konnte. Aber auch hier mag ich es, wenn natürliche Schönheit unterstrichen wird und man dem Menschen keine Maske aufsetzt.

Meistens jedoch arbeite ich alleine, vertraue den Leuten, was ihr Styling angeht. Achte selbst auf die Details und denke, je mehr vom Menschen selbst kommt, umso authentischer sind die Fotos.


Pia | 05/2011

Die Postproduktion unterscheidet sich kaum von damals, außer dass ich heute alle Aufnahmen im RAW-Format mache und bei diesem Foto noch ein paar Hautunreinheiten und Augenringe retuschiert habe.

Im Auftrag einer belgischen Zeitung durfte ich ebenfalls im Sommer 2011 ein Interview mit dem Schriftsteller Günter Wallraff fotografieren. Er wollte keine gestellten Fotos, bot aber im Laufe des Gesprächs bei tollen Lichtbedingungen so viele echte, ausdrucksstarke Momente, dass es ein Leichtes war, viel auszuprobieren:

Den Blickwinkel zu ändern, sich auf Details wie seine Hände zu konzentrieren und einige gute Fotos zu schießen. Ich konnte davon profitieren, dass das Interview bei ihm Zuhause stattfand, er sich wohl fühlte und dazu voll in seinem Element war. Eine Begegnung, die mich nicht nur als Fotograf begeistert hat




Günter Wallraff | 06/2011


Auch hier fiel die Postproduktion sehr simpel aus: In Schwarzweiß umwandeln, Kontraste anpassen und da er ein Gesicht hat, das von den Falten lebt, würde ich hier nie anfangen, zu retuschieren.

Natürlich will ich mich als Fotograf vor nichts verschließen, aber ich freue mich, meinen Stil gefunden zu haben. Sehe es als Herausforderung, diesem treu zu bleiben und mich dennoch weiterzuentwickeln. Neue Menschen, neue Ideen, neue Locations.