15. September 2011 Lesezeit: ~8 Minuten

Die Faszination der Lost Places

Vor rund 2 Jahren hat mich das „Lost-Places-Fieber“ gepackt – alles hat angefangen mit den Heilstätten in Beelitz. In diesem Beitrag werde ich Euch vorstellen, wie ich solche verlassenen Orte finde, was es zu beachten gibt, was für mich den besonderen Reiz an der Fotografie in Lost Places ausmacht und kurz auf ein paar Bearbeitungstechniken eingehen.

Schon als Kind war ich fasziniert von zunehmend verfallenden, leerstehenden Gebäuden. Allerdings gibt es dort, wo ich wohne (nahe Stuttgart) quasi so gut wie keine Lost Places – d.h. also durch Zufall so etwas zu entdecken, trifft bei mir nicht zu.

Stattdessen plane ich immer Touren – „Lost-Places-Touren“ – in ganz Deutschland, aber auch teilweise ins Ausland. Dabei suche ich im Internet meiner Ansicht nach gut geeignete Locations, die möglichst nahe beieinander liegen, sodass die Anreise zwar einige Stunden dauert, man dann aber schnell die verschiedenen Lost Places erreicht.

Eine hilfreiche Seite ist hier für mich www.urbex-online.de – eine gute Liste von vielen Lost Places hauptsächlich in Deutschland, Frankreich und Belgien. Nachdem ich die passenden Locations im Internet gefunden habe, gehe ich auf Suche nach diesen bei Google Maps – das gibt einen guten Einblick, von Größe und Umfang des Lost Place – auch erfährt man etwas zum Zustand, ob zum Beispiel schon Dächer abgedeckt und eingebrochen sind. Ungefährlich bleibt die sogenannte „Urban Exploration“ natürlich trotzdem nicht, man muss aufpassen und immer offene Augen haben.

[Bild 2] - Spannung pur - alter Kontrollraum

Zudem versuche ich im Voraus meist den Eigentümer der Location herauszufinden, zu kontaktieren und ihn um eine Fotografiegenehmigung zu bitten. Das klappt öfter als man denkt – Fotografen sind eher gern gesehene Gäste. Es gilt ja auch der Grundsatz: Nichts mitnehmen, nichts ändern und vor allem nichts zerstören.

Wenn man einfach so ohne Genehmigung in einen Lost Place „eindringt“, handelt es sich streng genommen um Hausfriedensbruch – Probleme damit hatte ich allerdings noch nie. Wenn man irgendwelche Leute oder den Wachdienst antrifft, einfach immer nett sein und versuchen sein Vorhaben – die Fotografie – zu erklären und zu rechtfertigen.

Ich selbst gehe niemals alleine in solche Locations – das wäre mir persönlich zu gefährlich. Es kann schneller schief gehen als man denkt, denn teils sind die Locations sehr marode, Decken, ganze Stockwerke herunter gebrochen. Hier muss man vorsichtig sein und lieber einen Teil, der sehr morsch und unsicher aussieht nicht betreten. Man muss dann dem Reiz, das Unbekannte zu erkunden, widerstehen – die Sicherheit und das eigene Leben gehen immer vor. 

[Bild 2] - Spannung pur - alter Kontrollraum

Ist man allerdings etwas vorsichtig, hat am besten immer eine Taschenlampe dabei und besitzt einen gesunden Menschenverstand, dann kann man die Spannung vollends genießen und diese Spannung ist teils unbeschreiblich und damit kommen wir zum nächsten Unterthema.

Was ist so spannend daran, verlassene Gebäude, verlassene Areale zu erkunden? Für mich persönlich macht dies einen ganz besonderen Reiz aus. Die Atmosphäre dieser alten, verlassenen Gebäude ist ganz besonders, ganz anders als sie sonst wahrgenommen wird. Die Luft riecht anders, das Licht ist unbeschreiblich und die Vergangenheit, die Vergänglichkeit ist allgegenwärtig. Dabei kommen Fragen auf – Was ist hier passiert? Wieso steht das Objekt leer? Wie und bis wann wurde das Gebäude benutzt? Besteht die Chance auf eine Wiederbelebung des Objektes?

Viele dieser Fragen können anhand von Gegebenem selbst beantwortet werden. Das Internet hilft dann noch zur weiteren Klärung. All das schon zu sehen und zu erleben ist toll, aber das Ganze noch mit der Fotografie verbinden zu können, macht das Thema „Urban Exploration“ für mich zu einem der spannendsten Gebiete überhaupt.

[Bild 3] - Das faszinierende Lichtspiel

Am allerbesten gefallen mir verlassene Ort, die „zivil“ genutzt wurden – wie zum Beispiel verlassene Villen und Hotels. Hier sind meist noch relativ viele Utensilien vorzufinden, wie Möbel, Bilder, alte Unterlagen und so weiter. Auch Heilstätten üben einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Industrieruinen können zwar sehr spannend und interessant sein, sind aber meist fotografisch schwerer festzuhalten.

Militärische Lost Places, wie Kasernen haben leider einen großen Nachteil – alles sieht gleich aus! OK, das ist jetzt vielleicht etwas extrem ausgedrückt, allerdings besteht ein Kasernenareal meist aus vielen, vielen ähnlichen oder gleichen Gebäuden.

Manche von euch fragen sich bestimmt, mit was für einer Kamera und was für Objektiven ich fotografiere. Seit rund einem Dreivierteljahr bin ich mit einer D700 von Nikon unterwegs, meist gepaart mit einem Ultraweitwinkel-Objektiv wie z.B. dem Sigma 17-35 oder noch extremer dem Sigma 12-24.

Bild 4: Treppe

Das Ultraweitwinkel ist in den manchmal engen Räumen fast schon Pflicht und macht das Bild, schon vom Blickwinkel her, deutlich interessanter und spannender. Ein Stativ und ein Kabelfernauslöser sind zudem ein unverzichtbares Zubehör. Relativ oft sind die Räume sehr dunkel und man hat Belichtungszeiten von weit über 10 Sekunden.

Persönlich geht es mir nicht darum, den Ort zu dokumentieren wie er in der Realität erscheint, stattdessen versuche ich ihn unter dem Oberbegriff „Die faszinierende Schönheit des Zerfalls“ festzuhalten. Mein Ziel ist es dabei, die Eindrücke und Gefühle, die ich während des Entdeckens und Wahrnehmens der Gebäude gefühlt habe, möglichst im fertigen Foto zum Ausdruck zu bringen.

Besonders spannend finde ich die Reduktion des Bildes auf die Kontraste von Licht und Schatten. Natürlich eignet sich das nicht bei jedem Foto – wie zum Beispiel bei den teils pompösen, farbenfrohen Bauten der Beelitzer Heilstätten – hier bin ich eher für eine farbige, „fröhliche“ Darstellung des Fotos.

Bild 5: Fensterlicht

Zur Zeit ist die HDR-Fotografie voll im Trend – ein großer Anteil der Fotos, besonders von Lost Places, wird mit dieser Technik fotografiert und bearbeitet, am Anfang war auch ich der „HDR-Technik“ verfallen – allerdings merkte ich in letzter Zeit, dass diese Art der Bearbeitung, fast immer das Lichtspiel zum einem „zerstört“ (oder zumindest schwächt) und zum anderen das Auge des Betrachters zu stark auf den „HDR-Effekt“ lenkt.

Nur noch in Ausnahmefällen – wenn extreme Lichtverhältnisse herrschen – erstelle ich ein HDR-Foto mit dezentem Tone Mapping. Hier darf man es nicht übertreiben – das ist ein Fehler, den viele begehen, auch ich zählte zu Beginn dazu. Zum Erstellen und Tonemappen der Fotos verwende ich das Programm „Photomatix Pro“.

Im Normalfall hingegen reduziere ich schon beim Fotografieren die Fotos auf den Kontrast von Licht und Schatten. Technisch gesagt heißt das, meist einige Belichtungsstufen unterzubelichten. Die Bearbeitung findet bei mir größtenteils in Photoshop statt. Zu Beginn wird das Foto begradigt und entzerrt (besonders wichtig bei einem stark verzerrendem Ultraweitwinkelobjektiv).

[Bild 6] - Retro Look

Danach wende ich eine Art Cross-Entwicklung an – d.h. stärkere Kontraste, besonderere Farben, mit einem gewissem Retro-Look – natürlich sind die Einstellungen von Foto von Foto variabel, dennoch gibt es eine ganz brauchbare Photoshop-Aktion – hier zum Download.

Abschließend noch ein kleiner Blick in die Zukunft. In einigen Wochen steht bei mir eine neue Lost-Places-Tour an. Diesmal geht es nach Brandenburg, in die Heilstätte Grabowsee (eine Art kleineres Beelitz, über Berlin gelegen) – Fotos werden dann auf meiner Webseite zu sehen sein.

Und noch eine Nachricht bezüglich Beelitz – inzwischen kommt neuer Schwung auf und so soll der Quadrant A in den nächsten Jahren für die Öffentlichkeit hergerichtet werden, zudem soll ein Wipfelpfad über den Dächern der Chirurgie, des Küchenhauses, des Pavillons und der Ruine errichtet werden.

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