08. August 2011 Lesezeit: ~3 Minuten

Buchrezension: State of the Union

„Das ist das Leben: Es ist der Zusammenprall deiner Ideen mit etwas, das du nicht steuern kannst und das explosiv sein kann.“ Mitch Epstein

Der Fotograf Mitch Epstein gewann 2010 mit seiner Serie „American Power“ den hoch dotierten Prix Pictet. Er arbeitet konzeptuell wie dokumentarisch, lässt sich jedoch ungern in eine bestimmte Kategorie pressen.

„State of the Union“ ist anlässlich der gleichnamigen Ausstellung erschienen, die von November 2010 bis Januar 2011 im Kunstmuseum Bonn stattfand. Das Buch ist eine Zusammenführung zweier Serien Epsteins: „Recreation. American Photographs 1977-1983“ und „American Power“.

Der erste Teil des Buches widmet sich der Recreation-Serie. Epstein beruft sich mit diesem Werk auf die Klassiker der amerikanischen Fotografiegeschichte wie Robert Franks The Americans, Walker Evans‘ American Photographs und Robert Adams What We Bought. The New World.

Ein Bild der Serie wurde 1977 am West Side Highway in New York City aufgenommen. Die rechte Bildhälfte füllen die monumentalen Steuerzentralen der amerikanischen Wirtschaft. Mittig im Vordergrund ruht ein Mann mit freiem Oberkörper auf einer Liege vor seinem geparkten Wagen.

Das Konzept der Bilder ist die Untersuchung des amerikanichen Freizeitverhaltens. Es sind Bilder mit subtilem Witz, welche die amerikanische Nation und ihre eigene Identifizierung als solche beleuchten. Zugleich sind es aber auch nachdenklich stimmende Bilder, weil sie enthüllen wie das wohlstandaufrechterhaltungsgeplagte Individuum seine vorgefertigten Freiräume ausschöpft.

Der zweite Teil des Buches zeigt die Bilder der Serie „American Power“. Sie nimmt Bezug auf das Verlangen der amerikanischen Gesellschaft nach Größe, ist aber auch eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Einfluss des Menschen auf die Natur.

Ein besonders eindrückliches Bild der Serie zeigt im Vordergrund das Privatidyll der Mittelklasse – Einfamilienhäuser auf saftig grünem Rasen, kurz: Flächen konsumierender Siedlungsbrei. Die sich im Hintergrund abzeichnenden Kühltürme eines Kraftwerks erzeugen einen krassen maßstäblichen Gegensatz zu diesem vermeintlichen Idyll. Behäbig breiten sie sich in den diffusen Himmel aus und scheinen gleichgültig auf die weiß lackierte Rechtfertigung ihrer Existenz hinabzulächeln.

Eine weitere Doppelseite zeigt ein in der Landschaft liegendes Rohr – einen Teil der Trans-Alaska Öl-Pipeline. Abgesehen von dem lakonischen Humor, den das Bild transportiert, vermag es auch zu beunruhigen. Das Rohr wirkt wie eine Infusion in die Haut des Terrains, wie ein Fremdkörper, der in die Natur eingeführt wird und dann wie selbstverständlich mit ihr zusammenwächst.

Die Bilder der Serie „American Power“ zeigen mit einer irritierenden Selbstverständlichkeit, wie sehr der energiehungrige Mensch imstande ist, seine Umwelt zu verändern.

Im Gespräch mit Stefan Gronert am Ende des Buches sagt Mitch Epstein:

„Meine Bilder sind darauf angelegt, gelesen, nicht mit dem Blick gestreift zu werden. Ich bin froh wenn ein Bild von mir vieles auf einmal tut und jedes Mal frische, unerwartete Lesarten hergibt, wenn man sich ihm wieder zuwendet.“

Es ist fraglos lohnenswert sich diesen Bildern zuzuwenden. Mitch Epsteins State of the Union* ist im Hatje Cantz Verlag erschienen, hat 120 Seiten und kostet neu 39,80 Euro.

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