16. Juli 2011 Lesezeit: ~16 Minuten

Anleitung: Der Bau einer 8×10″-Lochkamera

Wer bei der Fotografie gerne experimentiert und nicht immer nur auf der Suche nach der höchsten Auflösung, der besten Schärfe oder dem schönsten Bokeh ist, wird früher oder später sicher auch auf die Lochkamera stoßen.

Viel weiter „back to the roots“ kann man kaum noch gehen, denn die ersten Aufzeichnungen darüber, dass durch eine kleine Öffnung in einen dunklen Raum ein auf dem Kopf stehendes Bild der Außenwelt abgebildet wurde, datieren bereits auf 300-400 Jahre v. Chr. Natürlich wurde dies erst mit der Erfindung der Fotografie auch so genutzt, wie wir es heute kennen, das Prinzip hat sich aber nicht geändert.

In diesem Artikel möchte ich unter anderem meine kürzlich fertiggestellte Lochkamera für das Filmformat 8×10″ (20x25cm) vorstellen und ein paar Hinweise zur Verwendung von Röntgenfilm als günstiges Aufnahmematerial geben. Zum Abschluss möchte ich dann noch ein paar Grundlagen für den Einstieg in die Lochkamerafotografie liefern, damit das Basteln oder Umbauen gleich ohne größere Unklarheiten losgehen kann.

Bau meiner 8×10″-Lochkamera

Der Auslöser für diesen Artikel war eigentlich mein letztes Eigenbauprojekt. Ich wollte eine neue 8×10″-Lochkamera bauen, die die Standardkassetten für internationale Rückteile verwendet und eine Brennweite von 150mm (entspricht etwa 20mm bei Kleinbild) hat. Hätte ich vorher gewusst, dass ich diesen Artikel schreiben werde, dann hätte ich natürlich ein paar Bilder in der Bauphase gemacht. Leider muss ich diese nun durch ein paar CAD-Darstellungen ersetzen.

Ich gebe keine konkreten Abmessungen an, da das gleiche Konstruktionsprinzip auch für alle anderen Planfilmformate verwendet werden kann. Die grundlegenden Maße ergeben sich dann einfach aus den Abmessungen der Kassette und der gewünschten Brennweite.

Die Grundkonstruktion besteht aus MDF-Platten, die man in jedem besseren Baumarkt in vielen Stärken bekommt und sich direkt auf Wunschgröße zuschneiden lassen kann. MDF bietet sich wegen des günstigen Preises und der einfachen Verarbeitbarkeit an. Leider ist die Optik nicht besonders reizvoll, deshalb habe ich meine Kamera mit Echtholzfurnier etwas aufgewertet. Natürlich kann man die Kamera auch einfach lackieren oder sie so lassen wie sie ist.

Als erstes verleimte ich vier Stücke aus 16mm starkem MDF zu einem inneren Korpus, der für die nötige Stabilität und das Grundgewicht sorgt. Er ist innen etwas größer als das Bildfenster der Kassette, die Länge entspricht der gewünschten Brennweite.

Auf den inneren Korpus wurden nun die Außenwände aus 8mm starkem MDF geleimt, die gleichzeitig die Aufnahme für die Filmkassette und an der Vorderseite den passenden Überstand für das Einleimen der Frontplatte bilden.

In die Frontplatte habe ich mit der Lochsäge eine größere Öffnung geschnitten und dort einen Filteradapter eingeklebt, in dem wiederum die eigentliche Lochblende auf einer Aluminiumplatte befestigt wurde. Dadurch ist es möglich, Filter und Sonnenblenden zu verwenden und einen gewöhnlichen Objektivdeckel als Verschluss einzusetzen.

Anschließend habe ich die Kamera mit Bubinga und Palisander furniert, das Innere mattschwarz lackiert und die Kontaktfläche zur Filmkassette mit dünnem Schaumstoff beklebt, um für eine gute Abdichtung zu sorgen.

Da meine Filmkassette nicht mehr die jüngste ist und bei direkter Sonneneinstrahlung so manches Lichtleck offenbart, habe ich außerdem eine Andruckplatte für die Rückseite ergänzt, die Sonnenlicht von der Kassette fernhält. Wer dieses Problem nicht hat, lässt die Platte einfach weg und bemisst den hinteren Überstand der Seitenwände dementsprechend kürzer.

Zum Schluss wurden noch die nötigen bzw. praktischen Teile wie Stativgewinde, Wasserwaagen und Halterungen für die Gummibänder ergänzt. Da die Kamera recht schwer ist, habe ich zwei Stativgewinde und dementsprechend zwei Wasserwaagen benutzt, um zwischen Hoch- und Querformat wechseln zu können, ohne den Stativkopf verstellen zu müssen.

Auf dem folgenden Bild kann man sich anhand der Leica M6 einen Eindruck von der Größe der Kamera machen. Außerdem sieht man die Packung des Röntgenfilms, auf den ich im Folgenden eingehen werde.

Aufnahmen auf Röntgenfilm

Spätestens wenn man im Format 8×10″ fotografieren möchte, wird man mit sehr hohen Filmkosten konfrontiert. Eine Lösung für dieses Problem, die insbesondere für Lochkamera-Aufnahmen interessant ist, ist die Verwendung von Röntgenfilm. Eine Packung mit 100 Blatt kostet inklusive Versand und Steuern aus den USA (in Deutschland sind Zollgrößen leider so gut wie nicht erhältlich) nur etwa 60€. Normale Filme für fotografische Zwecke liegen eher im Bereich zwischen 150€ und 600€ für die gleiche Menge.

Wenn man mit den metrischen Formaten 18x24cm oder 24x30cm arbeiten kann, dann kommt man sogar mit ca. 30€ pro 100 Blatt aus, da diese Formate dann in Deutschland erhältlich sind.

Röntgenfilm verhält sich wie ein einfacher Schwarzweißfilm, da er im normalen Gebrauch nicht direkt durch die Röntgenstrahlung, sondern indirekt durch Leuchtfolien geschwärzt wird, die ihrerseits durch die Röntgenstrahlung angeregt werden.

Man hat die Wahl zwischen sogenannten blauempfindlichen und grünempfindlichen Filmen. Ich würde zum grünempfindlichen Film raten, da er vom Bildeindruck her einem normalen orthochromatischen (also rotblinden) Film am nächsten kommt. Liebhaber des Bildeindrucks aus den Anfängen der Fotografie können sich aber sicher auch mit der anderen Sorte anfreunden, da sie – wie z.B. auch die Kollodium-Nassplatte – vor allem für blaues Licht empfindlich ist.

Die günstigen Universal-Röntgenfilme (und nur die lohnen sich preislich wirklich) haben zwei entscheidende Nachteile: Sie sind weniger gut auflösend und körniger als ein gewöhnlicher Film mit 100-400 ASA und sie haben auf beiden Seiten eine lichtempfindliche Emulsion. Ersteres ist bei der Lochkamerafotografie im großen Format nebensächlich, da die Kamera an sich sowieso keine hohe Auflösung liefert und man schon durch Kontaktabzüge oder Scans mit sehr geringer DPI-Einstellung erstaunlich scharfe und feinkörnige Bildergebnisse in guter Größe erhält.

Die doppelseitige Beschichtung führt bei der Handhabung während der Entwicklung meist zu unschönen Kratzern auf der Rückseite, da die Schicht im nassen Zustand sehr empfindlich ist. Dieses Problem kann aber recht einfach gelöst werden, indem man die rückseitige Beschichtung nach der Entwicklung entfernt. Dazu legt man das Blatt mit der Rückseite nach oben auf eine Glasscheibe und klebt es rundherum mit Tesafilm gut fest, so dass bei der folgenden Behandlung keine Flüssigkeit unter das Blatt laufen kann. Nun pinselt man die unerwünschte Schicht mit haushaltsüblicher Chlorbleiche ein, lässt diese einige Sekunden einwirken und spült sie mit klarem Wasser ab.

Meistens wird man dann feststellen, dass Reste der Emulsion noch an einigen Stellen vorhanden sind. Man wiederholt den Vorgang einfach so oft, bis man alles entfernt hat. Anschließend wird nochmals gut gewässert und man hat das fertige, einseitige Negativ. Eine weitere, nicht immer erwünschte Eigenschaft ist der fehlende Lichthofschutz. Das führt vor allem bei Sonnenschein zu einer Art Aura um weiße oder sehr helle Objekte. Wer mal einen Lucky-Film bei Sonne benutzt hat, wird den Effekt kennen.

Bei der Belichtung und Entwicklung von Röntgenfilm muss man natürlich einige Zeit experimentieren, bis man gute Ergebnisse erhält. Das liegt unter anderem daran, dass die Empfindlichkeit durch die Sensibilisierung stark von der Farbtemperatur des Lichts und vom Motiv abhängt. Eine Landschaft in praller Mittagssonne mit hohem Grünanteil hat eine viel höhere Empfindlichkeit zur Folge als ein Motiv unter rotlastigem Licht bei einem Sonnenuntergang.

Für die Entwicklung eignet sich prinzipiell jeder Schwarzweißentwickler. Als Einstieg kann ich das gute alte Rodinal empfehlen. In der Verdünnung 1+100 bei 20°C für 6 Minuten entwickelt, sollten brauchbare Negative als Ausgangsbasis für eigene Anpassungen entstehen. Der Film sollte dabei nicht zu stark bewegt werden, einmal pro Minute reicht. Rotation würde ich nicht empfehlen, da durch die kontinuierliche Bewegung der ohnehin hohe Grundkontrast des Filmes noch verstärkt wird.

Stoppen/Zwischenwässern, Fixieren und Schlusswässern erfolgt dann wie gewohnt. Die Fixierzeit ist bei den meisten Röntgenfilmen angenehm kurz, ein Klärzeittest dauert meist nicht länger als 5 Sekunden. Dennoch würde ich nicht unter einer Minute fixieren, damit der Fixierer gleichmäßig über die ganze Filmfläche wirken kann. Außerdem sollte man sein Fixierbad vielleicht etwas öfter kontrollieren, da man pro Blatt ja quasi die Emulsion von zwei normalen Filmen der gleichen Größe fixieren muss.

Die Bilder in diesem Artikel wurden mit dem Fuji Röngtenfilm gemacht, den man oben sehen kann. Das zweite weiter unten soll zeigen, dass mit einer Lochkamera nicht immer nur Landschaft oder Architektur aufgenommen werden muss, sondern dass auch Stillleben und Nahaufnahmen durchaus ihren Reiz haben.

Was man über Lochkameras wissen sollte

Damit erhebe ich natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern möchte nur die grundlegenden Dinge erläutern.

Für eine Lochkamera braucht man drei Dinge: Einen lichtdichten Behälter, eine Lochblende und ein Aufzeichnungsmedium. Das Aufnahmemedium kann digital oder analog sein, wobei man im letzteren Fall noch die Wahl zwischen Film und Fotopapier hat (alternative Prozesse mal ausgeklammert). Wenn man eine beliebige digitale oder analoge Kamera mit Wechselobjektiven besitzt, dann ist die erste Lochkamera sehr schnell und einfach zu realisieren.

Alles, was man braucht, ist eine Gehäusekappe, die man mit einer Lochblende ausstattet. Für die verbreitetsten Systeme gibt es das sogar bereits fertig zu kaufen. Zwei Nachteile bei diesem Vorgehen sollen nicht verschwiegen werden: Man ist auf das Aufzeichnungsformat der Kamera beschränkt und die minimal mögliche Brennweite wird durch das Auflagemaß (bzw. bei Großformatkameras durch den kleinstmöglichen Abstand der Standarten) begrenzt. Natürlich ist es streng genommen falsch, bei einer Lochkamera von Brennweite zu sprechen, aber der Begriff vereinfacht die Veranschaulichung für uns Fotografen und deswegen werde ich ihn hier auch weiterhin verwenden.

Die Brennweite

À propos Brennweite. Diese ergibt sich bei der Lochkamera aus dem Abstand der Lochblende zum Senso bzw. Film. Bei einer umgebauten Kamera entspricht sie also ca. dem Auflagemaß, wodurch man bei typischen (D)SLRs in etwa eine Normalbrennweite erhält, während man bei Messsucherkameras und anderen Spiegellosen eher in den Weitwinkelbereich kommt. Natürlich spielt wie bei der Verwendung von normalen Objektiven auch hier die Größe des Sensors bzw. das Filmformat eine Rolle für den tatsächlich eingefangenen Bildwinkel.

Allerdings resultiert die Brennweite streng genommen nicht aus dem senkrechten Abstand der beiden Ebenen, denn dann wäre sie über die gesamte Bildfläche gleich. Was zählt, ist der tatsächliche Abstand jedes Punktes auf dem Aufzeichnungsmedium zum Loch, also quasi „Luftlinie“. Daraus folgt, dass die Brennweite in der Mitte ein Minimum annimmt, zum Rand und besonders zu den Ecken hin aber immer größer wird.

Besonders bei sehr kurzen Abständen (und somit Brennweiten) ist der Unterschied zwischen Mitte und Rand/Ecke sehr groß. Dadurch entsteht häufig der für extreme Weitwinkel-Lochkameras typische Bildeindruck, bei dem Motivelemente zu den Rändern hin gestreckt und vergrößert erscheinen. Sie wurden einfach mit einer deutlich längeren Brennweite aufgenommen als die Bildmitte.

Wenn man z.B. eine Lochkamera im Format 4×5″ mit einem Abstand von 25mm zwischen Film- und Lochblendenebene baut, dann nimmt die Brennweite von 25mm in der Mitte bis ca. 80mm in der Ecke zu. Diesem Effekt kann man zumindest bei der Verwendung von Film oder Fotopapier in einer Richtung entgegenwirken, indem man das Aufnahmemedium nicht auf einer geraden Fläche, sondern zu einem Kreisbogen gewölbt befestigt, dessen Radius der Brennweite entspricht. Am einfachsten lässt sich das umsetzen, indem man einen kreisrunden Behälter (z.B. eine Konservendose) zur Lochkamera umbaut.

Andererseits sind natürlich gerade starke Weitwinkel einer der vielen Gründe für den Eigenbau einer Lochkamera. Hier lassen sich ohne Fisheye-Effekt Bildwinkel realisieren, die man mit normalen Objektiven entweder gar nicht oder nur für sehr viel Geld erreichen könnte.

Das Loch

Ein elementarer Bestandteil der Lochkamera ist natürlich die Lochblende. Sie besteht meist aus einer Metallfolie, in die mechanisch oder per Laser ein Loch gebohrt wurde. Natürlich kann man sich mit Alufolie und Nähnadel schnell eine Lochblende herstellen und damit auch durchaus gute Ergebnisse erzielen. Wenn man aber ausloten möchte, wie viel eine Lochkamera an technischer Bildqualität zu leisten im Stande ist, dann lohnt es sich, eine präzise gefertigte Lochblende mit dem optimalen Durchmesser zu kaufen.

Doch welcher Durchmesser ist der richtige? Hier folgen nun gleich ein paar Formeln, aber man muss die physikalischen Hintergründe nicht verstehen. Es reicht, wenn man die Formel am Ende in einen Taschenrechner eingibt.

Für den optimalen Lochdurchmesser gibt es viele Ansätze. Ich möchte mich hier auf zwei beschränken, die beide auf der folgenden Formel basieren:

Der Durchmesser d hängt hierbei von einer Konstanten c, der Brennweite f und der Wellenlänge Λ des Lichts ab. Da das sichtbare Licht einen breiten Wellenlängenbereich abdeckt, bietet es sich an, einen Mittelwert zu verwenden. Für fotografische Zwecke sind 555nm bzw. 0,000555mm ein üblicher Wert. Wenn man die Lochkamera ausschließlich für Infrarotaufnahmen verwendet, sollte man die Wellenlänge einsetzen, die mit dem verwendeten Filter korrespondiert.

Doch zurück zu den beiden Ansätzen, die sich nur im Wert der Konstante c unterschieden. Dies ist zum einen der Lochdurchmesser nach Airy, der einen höheren Kontrast und meist eine bessere Schärfewahrnehmung liefert:

Zum anderen kann man mit der Formel nach Rayleigh einen Lochdurchmesser berechnen, der ein besseres Auflösungsvermögen zur Folge hat:

Setzt man nun noch für Λ die schon angesprochenen 0,000555mm ein und für f die gewünschte oder sich aus der Konstruktion ergebende Brennweite in mm, dann erhält man den passenden Lochdurchmesser d in mm. Natürlich sind die Unterschiede letztendlich nicht riesig und wenn man sich für einen Mittelwert oder einfach die nächstpassende erhältliche Lochblendengröße entscheidet, macht man keinen Fehler.

Die Belichtung

Bei der Belichtungsmessung geht man davon aus, dass die Blendenöffnung der Lochkamera über das Verhältnis Brennweite/Lochdurchmesser berechnet wird. Bei meiner oben vorgestellten Kamera liegt die Brennweite bei etwa 150mm, der Lochdurchmesser beträgt 0,5mm. Dies ergibt folglich eine Blendenöffnung von f/300. Da Belichtungsmesser in der Regel nicht mit so kleinen Blendenwerten arbeiten, kann man sich ausrechnen, um welchen Faktor die Belichtungszeit im Vergleich zu einer Messung bei Blende f/32 (oder einer anderen üblichen Öffnung) verlängert werden muss. In diesem Beispiel wäre der Verlängerungsfaktor ca. 90.

Allgemein ergibt sich der Verlängerungsfaktor x nach folgender Formel, wenn man für y die Zahl der Blendenstufen einsetzt, die zwischen der bei der Messung eingestellten und der tatsächlichen Öffnung liegen (im Beispiel ca. 6,5):

Bei analogen Medien ist unbedingt der Schwarzschild-Effekt zu beachten, durch den sich die Belichtungszeit weiter verlängert und bei schlechtem Licht schnell in den Bereich von einigen Stunden gehen kann.

Zum Abschluss möchte ich mich nochmals für die Einladung auf KWERFELDEIN bedanken und hoffe, dass einige an der Lochkamera-Fotografie Gefallen finden. Man muss ja nicht gleich einen kompletten Eigenbau wagen, es finden sich im Haushalt etliche geeignete Behälter, die sich umfunktionieren lassen. Selbst aus Filmdosen und Streichholzschachteln sind schon Lochkameras entstanden. Die Grenze ist hier, wie so oft, nur die eigene Fantasie.

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