15. Juli 2011 Lesezeit: ~6 Minuten

Die Magie des Unsichtbaren

Seit vielen Jahren praktiziere ich die Visualisierung unserer Umwelt mit einem für den Menschen „unsichtbaren“ Licht – Infrarot. Aber worin besteht die Attraktion, mit dieser Schwarzweiß-Technik zu arbeiten und was ist der Unterschied zur „normalen“ Schwarzweiß-Fotografie?

Im Prinzip ist ein Infrarotfilm lediglich ein „normaler“ Schwarzweiß-Film mit einer erweiterten Spektralempfindlichkeit bis in den Infrarotbereich. Um nur mit dem infraroten Lichtanteil des Spektrums zu arbeiten, muss ich aber einen Filter verwenden, der das sichtbare Spektrum aussperrt, einen „Schwarzfilter“. Ich sehe also „nichts“, wenn ich eine Aufnahme mache und es ist immer wieder spannend, die Ergebnisse nach der Entwicklung zum ersten Mal zu betrachten.

Damit sind wir beim ersten Teil der Attraktion bei der Arbeit mit infrarotem Licht. Der Hauptanreiz besteht allerdings in der Fähigkeit, lebendige Pflanzen heller bzw. fast weiß abzubilden. Hierbei sprechen wir vom sogenannten „Wood-Effekt“!

Dieser basiert auf der enormen Reflexion von infrarotem Licht durch Chlorophyll (Blattgrün), das in jeder lebendigen Pflanze mehr oder weniger vorhanden ist und damit auf meinem Infrarotfilm (oder digitalen Sensor) eine Belichtung verursacht. Somit werden Gräser oder Blätter wesentlich heller abgebildet als bei einem konventionellen Schwarzweiß-Film.

Nachdem Infrarotfilme fast in Vergessenheit geraten waren, sind heute wieder etliche auf dem Markt. Allerdings benötigt man etwas Erfahrung im Umgang mit diesem Material, was Belichtung und Entwicklung angeht, um Kontraste und damit verbunden „Grautöne“ differenziert wiedergeben zu können.

Einfacher ist es allerdings mit der heutigen Digitaltechnik, bei der ich die sofortige Kontrolle habe und eventuelle Korrekturen vornehmen kann. Allerdings muss ich vorher den „Infrarotsperrfilter“, der in jeder Digitalkamera eingebaut ist, vom Hersteller entfernen lassen.

Soviel zur technischen Seite meines fotografischen Schaffens. Aber eine technisch perfekte Fotografie ist damit nicht unbedingt aussagestark. Der viel wichtigere Teil für ein gutes Bild besteht in der Komposition, der Perspektive und dem richtigen Licht. Gerade in der Landschaftsfotografie ist die Perspektive und das Licht von elementarer Bedeutung.

Die Landschaft entsteht in den Augen des Betrachters. Erst durch ihn, durch seine Sicht und seine persönliche Verfassung entsteht das Bild, sein Bild. Nach vielen arbeitsreichen Jahren mit meiner Kamera kann ich sagen, dass ich nur die Bilder wiedergeben kann, die schon in mir drin sind oder anders gesagt, meine Bilder sind ein Produkt meiner gegenwärtigen Verfassung, meiner derzeitigen Lebenserfahrung.

Für eine gute Landschaftsaufnahme gibt es mehrere Kriterien. Am einfachsten zu erfassen oder nachzuvollziehen ist, wie schon erwähnt, die technische Seite. Hier können klar abgegrenzte Grundlagen geschaffen werden. Wie viel Unschärfe bzw. wie viel Detailgenauigkeit kann oder darf ich von einer Landschaftsaufnahme erwarten? Welches Negativformat verwende ich und welche Bildgröße strebe ich an?

Je höher ich die Qualitätskriterien setze, umso höher werde ich die technischen Mittel an- und einsetzen müssen. Ein ganz wichtiger weiterer Faktor ist das Licht. Ich kann jede Landschaft formen, d.h. ich muss unter Umständen viel Zeit und Geduld aufbringen, um die Landschaft in genau dem Licht und dieser Strukturierung abzubilden, wie ich es mir vorstelle. Oder ich warte auf eine bestimmte Jahreszeit, um eine besondere Stimmung wiedergeben zu können.

Hier beginnt für mich die elementare Arbeit an einer Landschaftsaufnahme. Die technischen Grundlagen sind schon lange zur Gewohnheit geworden, aber mit dem Licht beginnt die eigentliche Komposition. Oft bin ich Stunden, manchmal Tage später wieder an meinen Aufnahmeort zurückgekehrt, da mir die Lichtsituation vorher nicht gefallen hat. Natürlich hatte ich auf all meinen Reisen immer wieder das Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.

Dazu kommt, dass ich im Laufe meiner Berufsjahre einen „Riecher“ entwickelt habe, was sich aus mittelmäßigen Licht- und Wolkenstimmungen entwickeln kann und habe oft richtig gehandelt, wenn ich mich dafür entschieden habe, zu warten. Oft ist Geduld angesagt, auch wenn es manchmal schwer fällt.

Licht ist ein wichtiger Gestaltungsfaktor, aber ebenso wichtig ist mir das Augenmerk auf den passenden Himmel. Wolken sind meine Gestaltungshelfer! Mit etwas Wartezeit (und einem guten Buch) haben sich meine Schäfchen oft eingefunden und sich stimmungsvoll über der Landschaft platziert. So wichtig die einzelnen Bildkomponenten auch sind, sie werden erst zur gesamten Einheit verschmelzen, wenn der richtige Standpunkt zu ihrer Betrachtung gefunden ist.

So bewege ich mich oft in voller Konzentration in meinem Motiv, um den für mich einzig richtigen Blickwinkel für seine Betrachtung zu finden. Dabei schätze ich die abnehmbaren Sucher meiner Panoramakameras sehr, weil ich mich nicht mit den schweren Kameragehäusen auf die Suche nach der richtigen Perspektive machen muss und mich so voll auf den wichtigsten Gestaltungsfaktor meiner Arbeiten konzentrieren kann.

Nach einer langen Reise sind dann viele belichtete Filme in meinem Reisegepäck und es wartet der unangenehmere Teil meiner Arbeit auf mich: Einzelhaft in der Dunkelkammer. Jeder Film wird in der Dose entwickelt und nach mehreren Wochen notwendiger Distanz zu den gemachten Aufnahmen folgt dann die Selektion dessen, was ich als „Landschaftsessenz“ bezeichne.

So bleibt oft mancher Film unvergrößert im Negativarchiv, da viele Motive die letzte Qualitätshürde nicht schaffen, da sie nicht aussagekräftig genug sind. Für die „Auserwählten“ folgt nun die individuelle Ausarbeitung auf traditionellem Barytpapier. Dabei kommt mir meine Erfahrung zugute, um die letzten Details aus meinen Negativen herauszuarbeiten.

Außer einer Beeinflussung der Hell-Dunkel-Werte verändere ich nichts an meinen Aufnahmen, auch wenn viele Betrachter meinen, dass dies nur mit moderner digitaler Technik zu erreichen sei. Sind die zu Papier gewordenen Landschaften dann getrocknet und archiviert, finden manche den Weg zu Sammlern oder Galerien oder es steht ihnen der Weg der Publikation in Form von Büchern, Kalendern oder Kunstdrucken bevor.

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