07. Juni 2011 Lesezeit: ~5 Minuten

Die Suche nach dem einzigartigen Moment

Als ich mit der Straßenfotografie begann, kam ich von jeder Tour mit hunderten von Bildern zurück. Ich habe alles Mögliche geknipst, jede Person, jede Situation. Inzwischen brauche ich viel mehr Zeit, eine Rolle Kleinbildfilm mit 36 Bildern vollzubekommen. Ich bin einfach wählerischer geworden. Im folgenden Artikel erzähle ich über meine Herangehensweise bei der Straßenfotografie und hoffe, den ein oder anderen Tipp zu diesem vielschichtigen Thema geben zu können.

Straßenfotografie bedeutet nicht bloß, die Kamera mit sich herumzutragen und willkürlich Schnappschüsse zu machen. Für mich ist sie der Versuch, gute Momente und gute Bilder zu komponieren. Natürlich läuft man beliebig herum und macht auch mal instinktiv Schnappschüsse, aber ich bin mir gar nicht so sicher, wieviel Willkür tatsächlich dahinter steckt.

Street photography by Nacho Pello

Straßenfotografie hat für mich ihren Reiz insbesondere als Zeitdokument. Man dokumentiert die Gegenwart und diese Gegenwart wird in der Zukunft ganz anders sein. Autos, Gebäude, Kleidung, Menschen, Orte – alles verändert sich.

Habt ihr die Bilder von Vivian Maier schon gesehen? Unglaublich. Diese zauberhaften Momente aus den Sechzigern, all das hat sich so sehr verändert mit der Zeit. Wäre sie in den Straßen Chicagos ohne Kamera unterwegs gewesen, würden wir nichts von ihrem Talent wissen.

Beeindruckt schauen wir uns diese Bilder heute an und können uns dabei vorstellen, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir zu dieser Zeit gelebt hätten.

Street photography by Nacho Pello

Street photography by Nacho Pello

Was Straßenfotografie so interessant für mich macht, sind die besonderen, einzigartigen Momente, die man draußen in der Stadt findet.

Die Leidenschaft für diese Suche nach einzigartigen Momenten auf der Straße ist unendlich. Vergleichbar vielleicht mit dem Angeln: Man bereitet sorgfältig seine Aurüstung vor, wählt einen guten Ort am Wasser aus, um dann auf Fische zu warten und ohne zu wissen, wie gut der Fang sein wird.

Was ein gutes Bild ist, hängt von unserer Wahrnehmung ab und auch diese Wahrnehmung wird sich mit der Zeit verändern. Soviel ist sicher. Ob ein Bild gut ist, ist also sehr relativ.

Beim Fotografieren hat man die Möglichkeit, die Zeit für den Bruchteil einer Sekunde anzuhalten. Das Tolle daran ist, dass jedes Bild einzigartig ist und exakt das gleiche zu wiederholen unmöglich ist.

Ich könnte für den Rest meines Lebens Straßenfotografie machen und es würde jedesmal ein anderes Ergebnis dabei herauskommen. Das fasziniert mich.

Street photography by Nacho Pello

Street photography by Nacho Pello

Was für eine Rolle spielt der Ort? Ob man in Madrid oder in New York oder in einer kleinen Stadt fotografiert – es ist nicht das Gleiche. Aber man kann natürlich überall ein gutes Straßenfoto machen.

Ich finde es aufregender, in großen Städten umherzulaufen. Madrid, Barcelona, Buenos Aires begeistern mich. Auch ist es wichtig, denke ich, dass man eine Stadt beständig dokumentiert. Also beispielsweise einfach nur kurz in eine großartige Stadt wie New York zu kommen, praktisch auf Durchreise, bringt weniger als für längere Zeit an einem Ort zu bleiben und ihn kontinuierlich zu fotografieren.

Street photography by Nacho Pello

Für mich ist es wichtig, unbemerkt zu bleiben, weil ich nur auf diese Weise einen echten und reinen Moment festhalten kann. Manchmal passiert es allerdings, dass sich die Blicke der Fotografierten mit meinem Objektiv kreuzen und ich merke hinterher, dass das letzendlich dem Bild gut tut.

Dennoch sollte man in erster Linie versuchen, die Aufnahme nicht mit der eigenen Gegenwart zu „verschmutzen“. Ob man das erreicht oder nicht, ist allerdings eine andere Geschichte. :)

Street photography by Nacho Pello

Will man unbemerkt fotografieren, bietet sich unauffällige Ausrüstung an. Abhängig davon, welche Art von Bild ich machen möchte, benutze ich gern Brennweiten von 28mm, 35mm und 50mm. Ich stelle den Fokus vorher ein und benutze dann oft Zeitautomatik mit Blendenvorwahl. So kann ich schnelle Bilder schießen.

Man muss dann nur ungefähr die richtige Distanz abschätzen, zielen, abdrücken und einfach weiter laufen. Kommt es zu Augenkontakt, hilft meist ein Lächeln, um Unmut zu vermeiden.

Man kann die Kamera beim Fotografieren natürlich auch auf Hüfthöhe halten, weil das nicht so offensichtlich ist. Es braucht aber einiges an Übung, bis man auf diese Weise eine gute Bildkomposition erzielt.

Street photography by Nacho Pello

Ich liebe Fotografie. Nicht nur, selbst Bilder zu machen bereitet mir Freude, sondern auch, mir die anderer Fotografen anzuschauen und mich mit der Technik, dem Prozess, mit Büchern und Prints zu beschäftigen. Fotografie ist mein großes und einziges Hobby.

Ich hoffe, ich konnte euch hier einen kleinen Einblick in meinen Ansatz zur Straßenfotografie geben. Ich freue mich sehr, wenn ich Interesse für diese Genre wecken konnte und euch vielleicht auf die ein oder andere Idee gebracht habe. Genießt die einzigartigen Momente!

Ähnliche Artikel