26. Mai 2011 Lesezeit: ~3 Minuten

Der Krieg ist nicht vorbei

Angefangen hat alles mit meiner fotografischen Dokumentation in Spionica, dem Heimatdorf meiner Eltern, in dem alle Ethnien irgendwie zusammen leben und dennoch seit dem Krieg innerlich Mauern aufgebaut haben.

Mit Der Krieg ist nicht vorbei will ich weitreichender dokumentieren, wie es um dieses Land steht – 15 Jahre nach dem Krieg. Zwar habe ich mit diesem Langzeitprojekt schon vor über zwei Jahren angefangen, dennoch befinde ich mich immer noch am Anfang, denn viele und lange Aufenthalte kann ich mir schon aus finanziellen Gründen nicht leisten. Das ist ziemlich frustrierend.

Ich hätte sehr gerne die Zeit und die Mittel, mehrere Monate am Stück bleiben zu können, denn dieses Land ist so vielfältig und jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, die es wert ist, angehört zu werden. Ich kann keinem dieser Menschen irgendetwas versprechen und doch vertrauen sie mir ihr Erlebtes an und teilen mit mir ihre Welt. Das ist etwas, wofür ich sehr dankbar bin.

Potočari – Srebrenica

Stille liegt über den Menschen, die hier auf die LKWs aus Sarajevo warten. Es ist heiß und die Sonne brennt. Sie stehen, sitzen und suchen Schatten, rings um ein stillgelegtes Fabrikgebäude. Wie damals auf dem Gelände des holländischen UN-Bataillons, das nur wenige Meter weiter entfernt lag.

Sieht man über die Straße, blickt man auf das Denkmal und den angrenzenden Friedhof, der für die Opfer des Srebrenica-Massakers angelegt wurde. Die Grabsteine erstrecken sich weit bis zu den Hügeln hinauf.

Immer mehr Menschen versammeln sich. Dann kommen die LKWs, es sind mehrere an der Zahl. Die ersten Frauen am Eingang des alten Fabrikgeländes brechen zusammen, andere versuchen sich gegenseitig Halt zu geben, sie beten. Die Männer versuchen, Platz zu machen für die Transporter. Sie parken vor dem Eingang der Fabrik und öffnen die Türen der Ladefläche, sie sind gefüllt mit Särgen. Nacheinander werden sie vorsichtig von der Ladefläche gehoben, die hundert Männer, jung und alt, bilden eine Kette, die in die Fabrikhalle führt und legen dort einen Sarg nach dem anderen Seite an Seite. Dieses Jahr sind es mehr als 500.

Die Frauen weinen, brechen zusammen, sie schreien und trauern und können nicht an sich halten, als ob der ganze Schmerz aus ihnen herausbrechen will. Aus Angst vor weiteren Panikattacken und Schlimmerem werden sie gebeten, noch vor der Halle zu warten, bis alle Särge entladen werden. Mehrere Muftis setzen sich gemeinsam mit den Frauen vor dem Gebäude nieder und sprechen zusammen Gebete. Es klingt wie Meditationsgesang und eine kleine Brise Wind versucht, die Hitze zu kühlen.

An jedem Sarg ist eine Nummer notiert. Frauen, Männer und Kinder gehen stillschweigend durch die Reihen der Särge und suchen nach ihren Verwandten, Freunden, Vermissten…

Die Sonne wirft Schatten und eine Frau verteilt Blumen. Auf jeden Sarg eine Rose. Der Tag neigt sich dem Ende zu und in der Halle bleiben die Särge noch liegen, bis sie zwei Tage später, an dem offiziellem Gedenktag von Srebrenica, endlich ihre letzte Ruhe finden.

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