08. April 2011 Lesezeit: ~5 Minuten

Stil.

Finde Deinen Stil.

Hört sich einfach an, oder? Ist es aber nicht. Denn „Stil“ kann man nicht kaufen, nicht einfach machen. Stil kann man höchstens versuchen, zu kopieren. Was nach einer gewissen Zeit langweilig wird.

Finde Deinen Stil.

Ich möchte meinen, dass wir heutzutage tendenziell eher damit beschäftigt sind:

  • Finde Deine Kamera.
  • Finde Dein Objektiv.
  • Finde Dein nächstes Objektiv.
  • Dein übernächstes. Kannst ja schon mal sparen.
  • Finde Dein Stativ.
  • Finde Dein Bearbeitungstool.

Und dann findest Du irgendwann Deinen Stil.

Nicht unwichtig. Aber in meinen Augen nur halb so wichtig wie Katzenpeeling.

Stil
Foto: Aileen | Model: Jan

Wie wäre es, wenn wir das Spiel mal rumdrehen würden?

Kaufe irgendeine Kamera, finde Deinen Stil und finde dann Dein Objektiv und den ganzen Rest? Wie wäre es denn, wenn wir die Ausrüstung davon abhängig machen würden, was wir fotografieren wollen und nicht versuchten, mittels toller Objektive und Stative bessere Fotos zu machen?

Vielleicht läuft es ja auch gar nicht so linear ab – erst a, dann b. Trotzdem: Technik ist ein Mittel zum Zweck und nicht um ihrer selbst Willen da.

Finde Deinen Stil.

Gutes Mantra, wie ich finde. Und ganz ehrlich: Wie man den eigenen Stil findet, kann ich gar nicht beantworten. Möchte ich auch nicht. Aber ich möchte das Mantra mal ins Zentrum einer technisierten Kunst, der Fotografie stellen.

Finde Deinen Stil.

Was ist denn Stil?

Nun, unser allseits beliebtes Nachschlagewerk, Wikipedia, sagt unter anderem Folgendes:

Die „charakteristische Ausprägung“ bezieht sich auf Ähnlichkeit bezüglich formaler Merkmale (nicht auf die Gleichheit der Form wie bei Standardisierungsprozessen), die als Gemeinsamkeit dem Gros der Manifestationen/Tätigkeiten jener Epoche, Region, Person, etc. zugeschrieben wird. Ein Stil bildet sich durch die – nicht immer bewusste, aber stets kohärente – Auswahl, Bewertung und Anwendung bestimmter Ausführungsmerkmale. Anhand solcher stilbildender Merkmale lassen sich beispielsweise in den bildenden Künsten Stilrichtungen feststellen. Mit anderen Worten ist ein Stil der Kanon einer Formensprache und Stilbruch das vorsätzliche oder versehentliche Verletzen dieses Kanons.

Man kann – nach mehrmaligem Lesen – diesen Text ganz gut nachvollziehen. Den einen oder anderen bringt das auch schon ein großes Stück weiter – so manchen eher nicht (das alte Wikipedia-Problem).

Ich weiß keine bessere Erklärung, habe aber eine eigene, wesentlich kürzere:

Stil ist meine fotografische Heimat.

Dort, wo ich mich zu Hause fühle. Ich persönlich – um nur ein Beispiel zu bringen – fühle mich in der Schwarzweissfotografie zu Hause. Im Genre der Stockfotografie hingegen fühle ich mich fremd und da wird es mir so ganz und gar nicht heimelig.

Weiter ist das Quadrat mein Wohnzimmer geworden – um die Metapher weiter auszuprägen. Ich finde es perfekt für meine Fotos. Da bin ich, wer ich bin – da werden meine Fotos zu dem, was sie sind. Ans Quadrat kann ich mich rankuscheln – um mal den Bogen der Metapher ganz krass zu überspannen.

Finde Deinen Stil.

Style haben ja meist die andern, nur man selbst nicht – was ein Fehler in der Beobachtung zu sein scheint, weil man an sich selbst zu nahe dran ist. Veränderungen nimmt man an der eigenen Person einfach nicht oder weniger wahr, als ein Außenstehender. Und weil man sich selbst in den meisten Fällen tiefstaplerischer Natur wegen nicht so einschätzt wie die anderen, sind die eh immer viel stylischer.

Finde Deinen Stil.

Wie oben schon besprochen, ist dieser Artikel keine Anleitung, sondern ein rhetorischer Aufruf, die Augen für ein Weilchen von Vollformat, Blendenlamellen oder der Wichtigkeit postprozessialer Prozesse (Photoshop & Kollegen) hinweg zu einer Sache zu lenken:

Was bewegt mein Herz? Wo fühle ich mich wohl? Warum halte ich mich an bestimmten Dingen länger auf, als an anderen?

Oder anders herum:

Was stört mich im tiefsten Innern? Wo fühle ich mich gänzlich unwohl? Und warum halte ich mich an bestimmten Dingen überhaupt nicht auf?

Was ich mit Stil nicht meine: Eine krampfhafte Festlegung, die uns selbst unnötig in unserer fotografischen Freiheit einklemmt. Das hält sowieso nicht lange. Wer sich nicht auf XY einschränken mag, soll es lassen.

Nein, mir geht es um die Spezifizierung persönlicher Vorlieben und die klare Abgrenzung ebenso persönlicher Abneigungen. Das ist ein natürlicher Prozess – der nicht wenig unter dem Einfluss der Intuition steht.

Doch diesem Prozess kann man meines Erachtens mehr Gewichtung geben, wenn man mal den ganzen Technikramsch zur Seite räumt und sich die oben genannten Fragen stellt. Wenn man sich von vorgegebenen Boxen und der Diktatur der Foto-Populärkultur trennt oder sich dem „das war schon immer so / so muss das und nicht anders“-Gesabbel entgegensetzt, ins Träumen kommt und Schritt für Schritt den roten Faden findet, der sich durchs eigene Leben schlängelt bis hinein in die Spitzen fotografischer Bildgestaltung.

Wenn man es zulässt, auf die eigene, vom Informationsüberfluss überdeckte Stimme zu lauschen, die so schwer verständlich ist, weil sie mit der Meinung und den Stilvorgaben anderer ständig zuschüttet wird.

Vielleicht können diese dünnen Silben Anregung oder gar Hilfestellung geben, eins zu tun:

Suche Deinen Stil.

Discuss!

Ähnliche Artikel