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18. Februar 2011 Lesezeit: ~6 Minuten

Auf dem Weg zum guten Bild

MartinEs folgt ein Beitrag von Martin Jäger. Er lebt und studiert in München, in den letzten 2 Jahren ist Fotografie zu einem festen Bestandteil seines Lebens geworden. Martin fotografiert alles, was interessant scheint. Von besonderen Naturmotiven bis hin zu Menschen – am liebsten auf Film. Seine Bilder sind auf Flickr zu sehen.

Warum fotografieren wir? Was ist ein „gutes Bild“? Das sind Fragen, die ich mir schon sehr oft gestellt habe. Ich hoffe, euch mit diesem Text ein paar meiner Gedanken näher zu bringen. Nebenbei helfe ich auch mir damit, weil die wirren Fetzen endlich mal geordnet werden müssen!

Wald

Also – Warum fotografieren wir? Man könnte genauso fragen: „Warum singen wir?“, „Warum spielen wir ein Instrument“ oder auch „Warum malen wir mit großer Hingabe Bilder?“. Schon immer haben Menschen nach Möglichkeiten gesucht, sich und ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Egal ob malen, bildhauen, schreiben, musizieren – immer steht ein Mensch am Beginn des Werkes und verfolgt einen Zweck.

Ebenso ist es mit der Fotografie. Jeder Fotograf geht idealerweise seiner Leidenschaft nach, um seiner Weltsicht, seinem ästhetischen Empfinden und anderen Emotionen Ausdruck zu verleihen. Wenn man einmal anfängt, dieser Leidenschaft zu folgen, stellen sich nach einiger Zeit ganz neue Fragen. Man wird reflektierter und fragt sich beim Betrachten des Bildes oft:

Warum habe ich eigentlich dieses Motiv fotografiert? Warum sah ich beim drücken des Auslösers etwas ganz anderes vor mir? Und vor allem, warum fühlt sich das Bild im Vergleich zur echten Szene nicht so gut an beziehungsweise ruft nicht ähnliche Empfindungen hervor?

[Das offensichtliche kann weggelassen werden (in diesem Fall das Gesicht). Oft wirkt das Bild damit interessanter und regt den Betrachter zu eigenen Gedanken an. Wenn das Gehirn immer das bekommt, was es erwartet, wird es wohl irgendwann träge ;)]

Dies ist der Moment, an dem man beginnt, sich über „gute“ und „schlechte“ Bilder Gedanken zu machen. Wo stehe ich – wohin soll der Weg gehen? Was ist für mich ein gutes (oder auch schlechtes) Bild? Jetzt dürfte auch klar werden, warum das Wort „gut“ hier oft in Anführungszeichen gebraucht wird. Alles ist subjektiv – zum Glück – und damit genauso vielfältig und abwechslungsreich wie die Menschen, die Bilder machen.

Gerade weil fast alles an der Fotografie und Kunst so subjektiv ist, soll es hier nur um meine Erfahrungen gehen, die ich im Laufe der Zeit gemacht habe. Viele Leser werden einige Parallelen entdecken, manche hingegen auch gar keine.

Der wichtigste Schritt ist – Selbstkritik. Über das Auswählen und Bewerten der eigenen Bilder kann man unglaublich viel lernen. Das setzt die Fähigkeit voraus, die eigenen Bilder auf sich wirken zu lassen und auf die entstehenden Gedanken und Empfindungen zu hören.

Dyptich

[Manchmal ist diffuses Licht wesentlich schöner als Sonnenschein oder Blitzlicht. Hier war die einzige Lichtquelle ein Küchenfenster zur Abenddämmerung]

Wenn man nix hört – dann ist schon einmal der erste Schritt zur Verbesserung gemacht. Dann hat das Bild beziehungsweise Motiv keine Kraft und ist nicht in der Lage, Assoziationen und Empfindungen hervor zu rufen. Dann kann das Bild noch genauer Betrachtet werden.

Lag es an der Perspektive? Am Licht? Oder doch am falschen Moment, indem einfach keine Spannung im Bild war? Über das Finden und Verändern solcher Details und Beziehungen im Bild kann man gleich bemerken, wie verschiedene Aspekte eines Bildes auf den Fotografen selbst wirken.

Symmetrie

[Dieses Foto schöpft die Kraft aus der Symmetrie und der genauen Komposition. Durch die selektive Schärfe wird ein bestimmter Teil des Bildes zum „Mittelpunkt“ und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Damit wird wesentlich leichter eine Aussage vermittelt.]

Nach einiger Zeit stellt sich heraus, was man selbst am meisten mag. Es entwickelt sich eine Art „Vorliebe“ für Lichter, Stimmungen, Kompositionen und Perspektiven. Auch für Motive an sich. Eventuell sind ja Menschenbilder bald doch interessanter als Käfermakros ;)

Das ist dann der Punkt, an dem sich der Ausschuss beim Fotografieren beständig verringert. Es wurde sozusagen ein innerer Blick auf die Welt entwickelt, der sich in den Bildern immer mehr manifestiert. Man bevorzugt intuitiv bestimmte Motive, Lichtstimmungen und Perspektiven.

Manchmal sieht man eine Situation und weiß genau – Das muss ein Foto werden! Ohne je einen Blick durch den Sucher werfen zu müssen. Das Bild entsteht schon vorher im Kopf. Die Kamera ist nur noch das ausführende Werkzeug – welches aber blind beherrscht werden muss, damit die Aufmerksamkeit des Fotografen sich ganz dem Schauen widmen kann.

Baum & Hände

[Manchmal hilft „Brainstorming“ oder einfach Musik und deren Assoziationen dabei, interessante Ideen zu finden. Dann am besten gleich losziehen und die Idee einfach knipsen.]

Sehr verbreitet ist auch der Wunsch, seine Bilder von anderen bewertet zu sehen. Am Beginn mag es sehr verlockend sein, Bilder in einer Community hochzuladen und Anmerkungen zu sammeln. Ohne Zweifel gibt das der Motivation einen starken Auftrieb, wenn die Fotos jetzt nicht mehr ungesehen auf der Festplatte verstauben.

Ab einem bestimmten Punkt ist es aber vielleicht besser, der Meinung der Masse nicht mehr soviel Bedeutung zu schenken, wenn man nicht schon vorher tendenziell Richtung Mainstream gezogen wurde. Anmerkungen wie „Ein wenig Schärfe fehlt“ oder „Ich hätte gern einen stärkeren Rotstich“ sind zwar nett gemeint – führen doch aber eher zur Befriedigung des fremden Geschmacks statt zur Entwicklung eines eigenen.

Pärchen

[Klischees können zwar nerven, geben aber doch ab und zu ein gutes Motiv ab. An sich wäre der Sonnenuntergang nicht sehr interessant, mit dem Pärchen im Gegenlicht wirds doch gleich viel spannender.]

Neben dem bereits Erwähnten gibt es sicher noch unzählige weitere Wege, den Blick auf die eigenen Fotos zu schärfen und dadurch zu Bildern zu kommen, die um einiges mehr Ausdruck besitzen als die Bilder am Beginn der Reise eines jeden Knipsers.

Zum Schluss bleibt wohl nur noch zu sagen: Viel Spass auf dem Weg zum „guten“ Foto. Das ist ja die Hauptsache! ;)

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