26. November 2010 Lesezeit: ~10 Minuten

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

LAPP – Light Art Performance Photography dürfte jedem ein Begriff sein, der hier schon länger mitliest. Warum? Weil Jan Leo Wöllert von LAPP hier vor längerer Zeit einen Artikel für kwerfeldein.de gepostet hat. Wer mag, kann ihn gerne nachlesen oder jetzt einfach mit mir ins kalte Wasser springen und dem folgenden Interview mit Jan & Jörg lauschen. Fünf Fragen habe ich den beiden gestellt und sie haben einmal richtig weit ausgeholt.

Das Ergebnis ist ein Interview, auf das ich tatsächlich stolz bin. Wirklich. Denn die Beiden machen etwas, was man heutzutage nicht alle Nase lang zu sehen bekommt. Sie haben etwas zu sagen und wir können viel von ihnen lernen. Aber lest doch einfach selbst.

Jan Leo, warum Langzeitbelichtungen?

Langzeitbelichtungen haben den großen Vorteil, dass der Fotograf die Zeit als Variable zur Verfügung hat. Diese Zeit kann er kreativ nutzen, um in den Belichtungsvorgang einzugreifen. Viele Elemente in unseren Bildern sind nur auf der Zeitachse realisierbar. Nur darin hast Du den Spielraum für die Performance. Das ist die Zeit die das Theaterstück andauert. Am Ende steht bei uns aber keine 90Minuten Live-Aufführung, sondern nur ein einziges Bild! So wird, durch diesen Zeitraum zwischen Öffnen und Schließen der Blende, aus dem eher passiven Fotografen hinter der Kamera, eine Symbiose aus Fotograf und Performancekünstler vor und hinter der Kamera.

Mit den Jahren haben mein Partner Jörg Miedza und ich einige Techniken entwickelt, um den Faktor Zeit immer kreativer nutzen zu können. Eine schon bekannte Herangehensweise ist die Light Art Performance Photography (kurz LAPP). Bei dieser Art der Langzeitfotografie, werden Lichter wie bei einem Tanz choreografiert aufgeführt. Das brachte uns den einprägsamen Titel in einem Fotomagazin ein: „Die mit dem Licht tanzen“.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Neue Techniken wie z.B. die Portable Lightbrush Photography, die wir in Zusammenarbeit mit dem High Performance Lampenhersteller Led Lenser entwickelt haben, sind dagegen noch eher unbekannt. Hierbei wird wie mit einem Lichtpinsel das Licht in der Szenerie aufgetragen, von Hand mit portablem Licht in vielen Variationen. Arbeiten mit Licht vor der Kamera ist wie das Malen auf einem weißen Blatt Papier. Hier ist auch eine gewisse Zeit vonnöten um das was dargestellt werden soll so zu zeichnen, wie es der Künstler im Kopf hat.

Im Grunde genommen ist alles eine Frage aus dem Zusammenspiel von Zeit und dem kontrollierten Verteilen von Licht. Wer das verstanden hat, kann sich immer neue Anwendungsgebiete ausdenken. Bisher nutzte man bei Dunkelheit ein Blitzlicht, blitzte damit jegliche Bewegung tot. Vielfach ist das aber gar nicht nötig. Kreative Fotografie beginnt dort, wo man sich Gedanken macht, neue Wege zu gehen.

Aktfotografie ist genauso gut mit Langzeitbelichtung möglich wie mit einem Studioblitz. Mit transportablen Leuchtmitteln kann der Fotograf nur viel kreativer und vielseitiger ausleuchten.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Jörg, wie lange plant ihr Eure Fotos im Voraus?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt einige Fotografien, da planen wir schon seit zwei Jahren dran. Es sind meist viele einzelne Ideen, die dann ein Ganzes ergeben. LAPP-Fotos bestehen aus vielen Details und Elementen. Einige Elemente kann jeder unerfahrene Nachtakteur klar erkennen, einige andere wird nur der absolute Fachmann erkennen können. Nur die perfekte Zusammenstellung all dieser Elemente ergibt ein gutes LAPP-Bild.

Jedes dieser Elemente hat seine eigene Konstruktion und Herangehensweise und ist dabei unterschiedlich in der Planung. Manches kannst Du schnell beeinflussen und bei manchem bist Du den äußeren Einflüssen unterlegen. Der Vollmond kommt alle 28 Tage hervor und Schnee hast Du meist nur in 1 von 12 Monaten liegen. Eine Location und die entsprechenden Zutrittsberechtigungen brauchen in extremen Fälle lange Zeit und viele Gespräche.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Es muss aber nicht immer so extrem sein. Auch wir planen unsere Ideen mit der Natur und den Jahreszeiten. Es entsteht aber auch durchaus etwas Spontanes. Dann aber mit Elementen, die wir an anderer Stelle schon gründlich ausgearbeitet und vorbereitet haben, nur eben spontan in eine neue Szenerie eingesetzt.

Es ist halt kein Zufallsprodukt und selbst einfache Formen, Geschichten und Szenerien werden zunächst solange vor den Sensor getragen, bis der sie so aufgezeichnet hat, wie wir uns das vorgestellt haben.

In der Zusammenarbeit mit NIKE haben wir sogar eigens eine kleine Halle angemietet, um die Lichtfiguren vorab zu üben, um später dann die kostbare Zeit nicht dabei im Werserstadion zu verlieren.

Jan Leo, woher stammt die Idee, Figuren & Modelle auf diese Art in ein Foto zu packen?

Von Anfang an war ein Ansatz unserer Arbeit, Bewegung zu zeigen und Geschichten in unseren Fotografien zu erzählen. Oft kam das Feedback „wie aus einer anderen Welt“, das hat mich schnell dazu animiert, wirklich etwas aus einer anderen Welt „einzuladen“ und im Foto zu verewigen.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Jörg, was wollt ihr mit Euren Fotos sagen? Worauf den Betrachter hinweisen?

Wir wollen nicht direkt auf etwas hinweisen. Es gibt einige gesellschaftskritische Themen die wir bewusst umschiffen. Das kann sich in bestimmte geografischen Plätzen oder bestimmten Lichtformen ausdrücken. Das wäre zu direkt und lenkt den Betrachter zu schnell in eine Richtung.

Unser Anliegen sind mehr die Bilder mit Interpretationsspielraum. Die Bilder, die dem Betrachter dazu verleiten wieder einmal zu fantasieren. Wenn wir unser Licht in die Dunkelheit bringen, können wir dabei wohlbekanntes in völlig neues Licht tauchen. Die Aussage ist,: schau mal, das kennst Du doch, aber SO hast es noch nie gesehen.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Wir schaffen gerne Brücken und Interpretationsanreize und verwenden dabei Themen wie Sience Fiction, Märchen und Fantasy wie ein Add-On. Feste Aussagen sind aber nicht immer in unserem Sinn. Vielfach wollen wir einfach nur verzaubern, gefangen nehmen und die Fantasie des Betrachters stimulieren. Der Betrachter findet oftmals ganz eigene Wege in das Geschehen und hat eigene Ideen.

Das bekommen wir auch deutlich in den Rückmeldungen auf unsere Bilder in den eMails. Es ist dabei schön zu sehen, dass LAPP-Bilder oft die gleiche Art der Interpretation weltweit hervorrufen. Hier gibt es eher die Interpretationsunterschiede zwischen Mann und Frau als zwischen China oder USA.

Das, was ihr macht, kann man schon als Kunst definieren. Wer sind Eure Abnehmer? Wer kauft Eure Fotos?

Was Kunst darstellt, entscheidet allein der Betrachter. Denn Kunst entsteht allein im Auge des Betrachters. In vielen Fällen wird Kunst aber auch über die Zeitkonstante geprägt.

NIKE hatte uns zur Fussball-Weltmeisterschaft 2010 als Lichtkünstler entdeckt und sich die 9 Nationaltrikots in einer speziellen Lichtkunstperformance umsetzen lassen. Für uns ein sehr interessantes Projekt mit überragender Reichweite. In der Umsetzung hatten wir dabei völlig freie Hand.

Der Verkauf von Fotos und generell das kommerzielle Interesse stehen bei uns einfach nicht im Vordergrund. Das ist einer der Faktoren, der dich als Künstler langfristig überhaupt in die Lage versetzt kreativ und künstlerisch erfolgreich zu arbeiten.

Schnell werden Künstler zu kreativen Auftragsproduzenten, getrieben von den Wünschen anderer. Das ist nicht das, was wir anstreben. Es gibt bestimmt noch einige Dinge, die wir für potentielle „Abnehmer“ ausarbeiten können. Ein solches Projekt war in 2010 beispielsweise unser erstes Buch. Auf der vor ein paar Wochen beendeten Photokina in Köln haben wir unser neues Buch Faszination Lichtmalerei – Die Kunst der Light Art Performance Photography* vorgestellt, dass im dpunkt Verlag erschienen ist. Wir wollten ein Bildband herausgeben, welcher die Schönheit unserer Bilder auf einem anderen Medium als den Monitor darstellt.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Weiter wollten wir ein Hintergundinformationen zu Jan und Jörg sowie zu der Art der Arbeit in dieser Kunstkategorie geben. Es sollte kein Kochbuch für Lichtfiguren werden, es sollte eine inspirierende Wirkung haben und den Betrachter motivieren eigene Ideen umzusetzen.

Ein weiteres Projekt für 2011 könnte vielleicht der Verkauf von Bildern werden, aber warten wir das mal ab. Im Vordergrund stehen die Produktion von Bildern und die Umsetzung der Ideen die wir haben. Vielleicht machen wir auch noch drei weitere Jahre einfach nur unsere LAPP-Bilder und gehen dann erst an die kommerziellen Themen. Es gibt noch so viele Ideen in unseren Ideenbüchern und solange die darin schlummern, habe ich einfach das Gefühl das da noch was auf mich wartet.

Wie oben schon beschrieben gibt es aber auch Abnehmer. Gerne arbeiten wir aber auch mit Förderern zusammen. Das ist ein Segment, welches wir auch proaktiv ansprechen und denen wir unsere Bilder zeigen. Heute werden wir bei der Entwicklung von neuen Lichttechniken von Canon und Carl Zeiss unterstützt.

Die mit dem Licht tanzen: Fünf Fragen an LAPP

Beide Hersteller haben in den LAPP Bildern Material gefunden, um die Langzeitbelichtung in einer neuen und sehr eindrucksvollen Nuance zeigen zu können. Das ist für alle neu und hebt sich deutlich von den üblichen Bildern, die der Hersteller zur Darstellung der Langzeitbelichtung hat, ab. Für uns steht das Thema „Licht in die Dunkelheit bringen“, erst am Anfang.

Es wird noch sehr viel folgen und das begründet sich in der immer besser werdenden Hardwareprodukten für Fotografie und Lichterzeugung und schlussendlich in der scheinbar unerschöpflichen Fantasie von uns beiden.

Vielen Dank an Euch Beide! Wir wünschen Euch viel Erfolg für die Zukunft – aber da machen wir uns keine Sorgen ;)

*Das ist ein Affiliate Link. Wenn ihr darüber bei Amazon etwas bestellt, bekommen wir (kwerfeldein.de) eine kleine Provision, ihr zahlt aber keinen Cent mehr.

Ähnliche Artikel