09. Juli 2010 Lesezeit: ~9 Minuten

3 Tage Island – Reisefotografie mit Zeitdruck

Island empfängt uns strahlend hell. Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen. Von dunkler Asche keine Spur. Ende Mai habe ich die Möglichkeit, die Insel im Nordatlantik, die durch den Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Frühjahr in aller Munde war, zu besuchen.

Der isländische Funktionsbekleidungshersteller 66°North hat mich zusammen mit ein paar weiteren europäischen und amerikanischen Journalisten eingeladen, an einer Besteigung des Hvannadalshnúkur teilzunehmen, des höchsten Gipfels der Insel.

Gemeinsam mit der Isländischen Bergführergesellschaft (IMG) veranstaltet 66°North bereits zum dritten Mal ein Programm, das Teilnehmern die Gelegenheit gibt, den Gipfel von Europas größtem Gletscher zu erklimmen. Drei Tage sind wir auf Island, in denen uns 66°North die Firma, das Land und vor allem den 2110 m hohen Berg näher bringt.

Neben der Bergtour, die als 15-stündiges Auf und Ab für den zweiten Tag angesetzt ist, wollen wir weitere sehenswerte Orte besuchen. Stoff für eine spannende Geschichte wird es demnach reichlich geben, nur wie bei Pressereisen üblich, ist alles in einen engen Rahmen gequetscht. Zeitdruck ist aber nicht unbedingt das, was man sich als Fotograf wünscht, um gute Bilder mit nach Hause zu bringen. Tja, so ist die Situation – also versuche ich, das Beste herauszuholen.

Island – Reisefotografie

Bevor es so richtig losgeht, wird uns bei einem gemeinsamen Abendessen in aller Nachdrücklichkeit mitgeteilt, dass es Island gut geht! Die Insel leidet nicht unter der Aschewolke und von all den Vulkanen geht auch keine Gefahr für Leib und Seele aus. Ein 20-prozentiger Einbruch im Tourismus lässt viele Reisende im Moment jedoch einen Bogen um Island machen. Da hofft man, dass wir mit guten Worten in aller Welt die Werbetrommel rühren werden und bald alles wieder seinen gewohnten Gang nimmt.

Nach dem Essen schlendern die meisten in eine dunkle Bar. Zu isländischem Bier oder gar „Schwarzem Tod“ – The Original Icelandic Schnapps. Mir ist lieber nach frischer Luft zumute und ich laufe hinüber zum Hafen von Reykjavik und dem Meer, über dem zu später Stunde langsam die Sonne untergeht. Blaues Wasser und warmes Licht verschmelzen. Mit langer Belichtungszeit und einem leichten Kameraschwenk mache ich Fotos der seichten Wellen. Malerisch ist das Bild und so ruhig wie die stille Abendstunde.


Island – Reisefotografie

Tag 1

Wir machen uns auf den Weg gen Osten und Richtung Hvannadalshnúkur. Auf der Fahrt über die Ringstraße entlang Islands Südküste reiht sich ein Highlight ans Nächste. Neben wenigen kurzen Stopps müssen wir die Landschaft, die zunehmend in Wolken und Nieselregen eintaucht, aus den Busfenstern genießen. Einer fotografischen „Regel“ nach, sollte man bei der Fahrt nicht durch das Fenster fotografieren, da ohnehin nichts Brauchbares dabei herauskommen wird. Ich mache aus der Not eine Tugend und tue es trotzdem. Jedoch erneut mit langer Belichtungszeit. Ich möchte einen Wischeffekt erzielen, der gerade verdeutlicht, dass das Bild während der Fahrt entstanden ist. So ragen die Westmännerinseln über einem Gletscherfluss auf und in den düsteren Wolken spiegelt sich das Busfenster.

Island – Reisefotografie

Am Seljalandsfoss der nächste Halt. 15 Minuten Zeit, um diesen Wasserfall zu erkunden, dann sollen wir zurück im Bus sein. Viel zu wenig. Also werden wir unserem neugierigen Journalistendasein gerecht und dehnen die Zeit auf das dreifache aus. Über die ehemalige Küstenlinie stürzt der Wasserfall in die Überschwemmungsebene des Markarfljót. Er gehört zu den bekanntesten Islands und Fotos davon finden sich in jedem Reiseführer. Seine Besonderheit: Ein Pfad führt hinter dem Wasserfall herum und man kann durch das Wasser auf das Land davor blicken. Wie bei jedem Stopp, zücken alle ihre Kameras und mir scheint, als würden alle die gleichen Bilder machen. Tausendmal gesehen. Nichts Neues.

Ich versuche in der Kürze der Zeit einen anderen Blickwinkel zu finden. Durch den Wasserfall sehe ich, dass Vögel davor umher fliegen. Ich mache einige Bilder, nur mit einem engen Ausschnitt der grauen Wassermassen, und habe Glück. Auf einem Bild erkennt man einen Vogel in schöner Flugpose. Es ist meine Interpretation des Seljalandsfoss.

Island – Reisefotografie

Tag 2

Die Nacht im Hotel Skaftafell ist kurz. Frühstück um 4 Uhr, Aufbruch eine Stunde später. Wolken hüllen den Hvannadalshnúkur ein. Am verlassenen Bauernhof Sandfell warten 18 Mountainguides, die an diesem Tag eine große Gruppe zum Gipfel führen. Mehr als 150 Teilnehmer des Trainingsprogramms teilen sich in kleinere Gruppen auf, nach Leistungsstärke sortiert. Wir schließen uns den Trüppchen an, die alle einen Guide bekommen, der von nun an Tempo und Richtung bestimmt.

In langer Schlange ziehen wir über steile Geröllhänge bergan. Nebelfeucht. Auf dem schmalen Pfad ist es kaum möglich zur Seite zu treten, um Bilder der Gruppe zu machen. Also nehme ich die Kamera im Gehen aus meiner Bauchtasche und mache Fotos im Aufstieg und aus der eigenen Bewegung heraus. Vor mir unser Guide Gísli mit dem Seil und weitere Bergsteiger, die hinauf steigen in die helle Gletscherwelt.

Island – Reisefotografie

Der Wettergott meint es gut mit uns an diesem Tag – auf etwa 1000 m Höhe durchbrechen wir die Wolkendecke. Blauer Himmel und Sonnenschein taucht die Gletscherlandschaft in ein Licht, so strahlend hell, wie man es sonst nur aus dem Flugzeug kennt, das über einem Meer aus Wolken seinem Ziel entgegen fliegt. Nun ja, wir fliegen nicht, sondern stapfen, von nun an angeseilt, Schritt für Schritt höher und überqueren Spalten im Eis. Stunden vergehen, bis wir den steilen Gipfelaufbau erreichen, den wir mit Steigeisen an den Füßen auch noch erklimmen.

Um 14 Uhr stehe ich gemeinsam mit nahezu 30 weiteren Bergsteigern bei Windstille 2110 Meter hoch am höchsten Punkt von Europas größtem Gletscher. Es werden die obligatorischen Gipfelfotos geschossen – Seilschaften in Siegerpose. Und Ausblicke über die Landschaft, die Gletscherwelt zu unseren Füßen. Aber mir fehlt noch ein Motiv, auch hier eine kleine Geschichte. Ich finde sie in zwei jungen Frauen, die dabei sind, sich am höchsten Punkt – einem verschneiten Steinmann – gegenseitig in aller Freude zu fotografieren. Ein Dokument der Dokumentation.

Island – Reisefotografie

Der Abstieg verläuft nicht bedeutend schneller. In einer der Pausen fragt mich Michelle Theall, Editor-in-Chief des amerikanischen Women’s Adventure Magazine und mit mir in einer Seilschaft, ob ich nicht ein Bild von Beate machen könnte, wie sie mit dem Gipfel des Hvannadalshnúkur im Hintergrund im Schnee liegt. Vielleicht könne sie die Aufnahme für eine Doppelseite im Heft gebrauchen. Rasch dirigiere ich den Rest unserer Seilschaft aus dem Weg und mache einige Bilder von Beate im Schnee. Ein Hauruck-Minifotoshooting an Ort und Stelle, durch ein Seil verbunden und im prallen Licht der Nachmittagssonne. Ob es wohl eines der Bilder in das Magazin schaffen wird?

Island – Reisefotografie

Island – Reisefotografie


Tag 3

Müde in den Beinen klettern wir am dritten Tag wieder in den Bus. Es geht zurück nach Reykjavik. In Vík gibt es zu Mittag isländische Fleischsuppe. Wieder einmal hängen die Wolken tief und die kleine Kirche oberhalb des 300-Seelen-Nestes verschwimmt im Nieselregen. Ein Bild wie Hitzeflimmern und so mystisch wie der Ort. Vor der Küste am Strand von Reynisfjara ragen die Reynisdrangar-Säulen aus dem Meer empor.

Der Legende nach entstanden sie, als zwei Trolle einen Dreimaster zur Küste schleppen wollten und die Sonne unerwartet durch die Wolken brach. So erstarten die beiden zu Stein. Das Wetter ist kaum brauchbar für ein schönes Bild. Fahler Himmel, dunstige Luft. Erneut ist es ein einzelner Seevogel, der die Szenerie aufpeppt.

Island – Reisefotografie

Island – Reisefotografie

Später am Abend, besser gesagt in der Nacht, komme ich auf dem Weg vom Reykjaviker Restaurant Square zum Hotel Loftleidir an der markanten und das Stadtbild überragenden Hallgrímskirkja vorbei. Um kurz vor 1 ist an ein „gutes Bild“ nicht mehr zu denken. Obwohl es in den Nächten nicht dunkel wird, sind die Belichtungszeiten trotz hochgedrehter ISO-Zahl zu lang und ein Stativ habe ich nicht dabei.

Auf ein Bild der Kirche möchte ich aber nicht verzichten. Also entschließe ich mich bewusst dazu, erneut eine lange Verschlusszeit zu wählen und verdrehe während der Auslösung zudem den Zoomring am Objektiv. So erlangt die Kirche eine strahlende Erscheinung. Nicht perfekt, aber eine schöne Erinnerung.

Island – Reisefotografie

Nachwort

Es war der Versuch, in 3 Tagen Island etwas andere Bilder zu machen. Nicht die, die jeder macht, wenn er mit vielen Anderen denselben Ort besucht.

Wie sind Eure Erfahrungen mit der Reisefotografie? Habt Ihr immer ausreichend Zeit? Oder muss es auch schon mal schnellschnell gehen?

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