kwerfeldein
27. Mai 2010 Lesezeit: ~13 Minuten

Malte Pietschmann im Gespräch

Malte Pietschmann wird ein Name sein, der hier einigen Lesern schon geläufig ist. Falls nicht, möchte ich nach dem Lesen des Gespräches empfehlen, bei Bedarf Portfolio, FlickrStream und Twitter des jungen Herrn zu betrachten.

Ich lag Malte schon lange in den Ohren, ob ich ihm ein paar Fragen stellen, und diese dann publizieren dürfte. So bekam ich letzte Woche die Nachricht, dass er bereit sei und gestern Abend haben wir ein Gespräch geführt, bei dem ich versucht habe, ihm einwenig „auf den Zahn“ zu fühlen. Weil ich mit Malte schon länger Kontakt pflege, war es mir wichtig, ihn hier auf diese Weise vorzustellen. Denn Malte hat meiner Meinung nach einiges zu sagen.

Here we go.

Hallo Malte. Ich bin jetzt mal direkt: Wer bist Du, was machst Du?

Hallo, mein Name ist Malte Pietschmann, ich bin 23, studiere Medienmanagement im 4. Semester in Leeuwarden / Holland und habe im Dezember 2008 angefangen zu fotografieren.

… womit wir schon mittendrin wären. Wie kamst Du dazu? Kamera von der Freundin oder „reiner Zufall“?

Die erste DSLR, die ich in der Hand hatte, war tatsächlich die meiner damaligen Freundin. Nach dem Abitur sind wir 3 Monate durch Indien gereist. Während dieser 3 Monate habe ich dann (damals noch eher unkontrolliert im Automatikmodus) angefangen meine Eindrücke festzuhalten.

Das schreit ja nach Fortsetzung … Wie ging’s weiter? Gib uns noch einen kleinen Einblick – was hat Dich daran fasziniert, was bewegt, weiterzumachen?

Da ich vorher noch nie in Asien war, war Indien ein ziemlicher Kulturschock für mich. Dementsprechend faszinierend hat das alles auf mich gewirkt. Dokumentiert wurde alles – von der Kuh bis zur heruntergekommenen Fassade. Daher (und aufgrund meiner fehlenden fotografischen Erfahrung) wurde relativ wenig wirklich bewusst festgehalten. Kulturell, geschichtlich, religiös – Indien ist ein wahnsinnig kontrastreiches Land.

Ich fand das damals alles so unglaublich, dass ich das Bedürfnis hatte, einfach alles einzufangen. Meine stärksten Arbeiten aus dieser Zeit entstanden allerdings in einer Schule in Thalavadi in den südindischen Ghats. Für 14 Tage lebten wir dort bei einer Familie, ziemlich abgeschieden auf einem Bergplateau. In den urbaneren Regionen Indiens herrscht eine ständige Reizüberflutung. In den Bergen ist das anders. Die Natur ist wunderschön und man hat genügend innere Ruhe sich genauer mit den Menschen dort zu beschäftigen, ihre Geschichten zu erfahren und spannende Momente bewusst festzuhalten.

Als ich dann wieder in Deutschland war, hatte ich dann so ziemlich jede fotografische Motivation verloren. In Indien war alles so neu und aufregend. Im direkten Vergleich dazu wirkte Deutschland auf den ersten Blick wie das genaue Gegenteil – langweilig und uninteressant. Hinzu kam, dass mir das Fotografieren an sich mit der Kamera meiner Freundin (Canon 400D & EF-S 18-55mm Kitobjektiv)  zunehmend weniger Spaß machte, weil ich das Gefühl hatte, dass vieles, was ich fotografieren wollte, technisch nicht möglich war.

Im Jahr nach Indien schoss ich demnach kein einziges Foto und beschäftige mich auch sonst nicht im geringsten damit. Das änderte sich schließlich, als ich mir dann meine erste eigene DSLR zulegte, die mir genügend Raum ließ fotografisch zu wachsen und mit der das Fotografieren völlig neu entdeckt habe.

Klingt aufregend und verständlich. Aber in der Zwischenzeit hast Du Dich fotografisch nicht gehen lassen, was man aus Deinen Bildern schließen kann. Worauf arbeitest Du hin? Was ist Deine Vision mit der Fotografie?

Die Fotografie ist meine Leidenschaft und ein guter kreativer Ausgleich zum Studium. Ich versuche mir nicht allzu konkrete Gedanken darüber zu machen wo es mit der Fotografie und mir hingeht. Ich bin sehr selbstkritisch und ehrgeizig. Es gibt so viele unglaublich faszinierende Fotografen und Fotografinnen da draußen. Ich glaube die Entscheidung, ob man die Fotografie, die ich mache, zum Beruf machen kann, trifft man nicht selbst.

Viel mehr denke ich, dass die Nachfrage nach den eigenen Arbeiten zeigen wird, ob man den Sprung vom Amateur zum Profi schaffen kann. Daher versuche ich die Dinge locker anzugehen und abzuwarten, was die Zukunft so bringt. Ich fotografiere für mich. Mein Ziel ist es Fotos zu machen, mit denen ich zufrieden bin, die mich bewegen, die ich mir selbst aufhängen würde.

… und wie ich Dich kenne, würdest Du Dir nicht jedes beliebige Bild aufhängen. Du hast schon einen hohen Anspruch an Dich selbst, oder?

Sich als Amateur mit den Besten zu messen, macht zwar oft sehr unzufrieden, motiviert mich aber auf der anderen Seite auch sehr stark. Ich denke wer die Messlatte zu weit unten setzt, hat wenig Möglichkeiten sich weiter zu entwickeln. Wenn man sich mit den Großen vergleicht, fühlt man sich zwar umso kleiner, sieht mit der Zeit aber umso deutlicher, was die eigenen Arbeiten von denen, die man selbst so bewundert, unterscheidet.

Themawechsel: werden wir mal praktisch, Malte. Aktuell arbeitest Du ja recht intensiv mit Models. Über welche Plattformen, Kontakte oder Communities nimmst Du Kontakt zu Models auf? Was ist Dir dabei wichtig?

Während der letzten 9 Monate habe ich so ziemlich jeden fotografiert, der mir vor die Linse kam. Technische Routine zu bekommen war mir in dieser Zeit sehr wichtig. Mittlerweile hat sich das aber ziemlich geändert. Ich habe für mich festgestellt, dass die Ergebnisse darunter leiden, wenn ich an einer Person nicht genügend fotografisches Interesse habe. Ich schiesse mittlerweile zwar nicht unbedingt weniger, lasse mir aber bei der Auswahl der Leute, mit denen ich arbeite, mehr Zeit.

Modelmayhem.com ist für jeden eine gute Anlaufstelle um an Models zu kommen. Größtenteils arbeite ich jedoch mit Leuten aus meinem Bekanntenkreis oder mit Leuten, die ich zufällig auf der Straße sehe und dann direkt anspreche. Man glaubt gerne, dass man unbedingt richtige „Models“ bräuchte um wachsen zu können. Interessante Menschen gibt es allerdings überall. Man muss nur die Augen dafür öffnen.

Absolut, da stimme ich Dir zu, Malte. Beschreibe mal ein Shooting (Vorbereitung lassen wir mal aussen vor)- wie läuft das bei Dir ab? Hast Du Assistenten / Hilfen, die Dich unterstützen? Welche Locations nutzt Du gerne?

Ein Schema F gibt es dafür eigentlich nicht. Das hängt alles von den Leuten, mit denen ich arbeite, von der eigentlichen Idee und von den Rahmenbedingungen ab. Wenn ich mit Leuten arbeite, die so etwas noch nie vorher gemacht habe, schiebe ich i.d.R. immer einen Test-Shoot vor. Nur die Kamera, das Model und ich. Keine Blitze. Kein Equipment. Die meisten Leute, gerade Frauen, sind bei ihrem ersten Shoot unglaublich nervös und wissen nicht wie sie sich verhalten sollen. Ich versuche ihnen diese Angst zu nehmen und mache klar, dass mir die Ergebnisse des Test-Shoots nicht wichtig sind. Im Grunde genommen ist das ein ganz normales Gespräch, bei dem ich ab und an ein paar Anweisungen gebe und nebenher Fotos mache.

Während des Tests gucke ich wie sich die Leute verhalten, wie sie sich bewegen, welche Perspektiven zu ihnen passen und welche nicht. Alles ganz locker und ohne jeden Druck. Das Allerwichtigste ist eine Vertrauensbasis zwischen dem Model und mir zu schaffen. Ohne Vertrauen, gerade bei Leuten, die noch nie vorher vor der Kamera gestanden haben, geht einfach nichts.

Vor einem richtigen Shoot mache ich einen bis zwei Tage vor dem eigentlichen Termin einen Probedurchlauf mit dem ganzen Equipment und einer Testperson, sodass ich mich am eigentlichen Shooting ganz auf das Model konzentrieren kann und sämtliche technischen Entscheidungen bereits getroffen sind. Assistenten habe ich keine. Dafür aber unglaublich nette Freunde, die mich unterstützen und mir helfen. Wie ich mit dem Model umgehe hängt ganz von der Person ab. Die meisten Leute brauchen zwischen 15 bis 30 Minuten zum Aufwärmen. Während dieser Zeit gucke ich dann erstmal, was von den Leuten kommt.

Mir ist es wichtig, offen mit den Models zu reden. Daher frage ich sie ganz direkt, ob es hilft, wenn ich Anweisungen gebe. Bei Portraits dirigiere ich eigentlich kaum – nur wenn sich das Model beispielsweise unbewusst unvorteilhaft hinsetzt oder sich vom Licht wegdreht. Ich versuche immer viel Feedback zu geben, kurz zu stoppen und anhand der geschossenen Bilder zu verdeutlichen, was gut und was weniger gut wirkt. Nach einer Weile werden die meisten Models dann locker und wissen in welche Richtung ihr Posing gehen sollte.


Sehr interessant, Malte. Wo finden die Shootings statt? Viele Fotos können, müssen aber nicht in einem Studio aufgenommen sein, sondern auch bei jemandem zuhause… Oder?

Hier am Meer ist das Wetter ziemlich unberechenbar. Daher arbeite ich derzeit leider recht wenig draußen. Im Winter habe ich viel in dem 8-Quadratmeter-Esszimmer unserer WG vor einer – zumindest halbwegs – weißen Wand geschossen. Die Raufasertapete musste dann nachträglich rausretuschiert werden. Mittlerweile habe ich aber ein Papier-Hintergrundsystem, dass regelmäßig in der WG Küche eines Freundes aufgebaut wird.

Man braucht nicht immer unbedingt eine hochsterile Studioumgebung, um gute Ergebnisse zu erzielen. Es macht mir sehr viel Spaß, in meinem WG-Küchen „Studio“ zu arbeiten, weil die Resultate sehr vorhersehbar sind und ich auch sonst die klassische Studiofotografie sehr mag. In der Zukunft möchte ich aber auf jeden Fall verstärkt draußen arbeiten. Durch Abwechslung und neue Herausforderungen bleibt man in Bewegung.


Als Kreativ-Element ist Postprocessing in Deiner Arbeit kein unwichtiger Teil, viele Leser haben hier schon ein Photoshop Tutorial mit und von Dir genießen dürfen. Wo und wie lässt Du Dich dabei inspirieren? Reine Photoshoptutorials oder dekonstruierst Du auch mal Fotos „frei nach Auge“ und versuchst den Look nachzustellen? Erzähl mal…

Sowohl als auch. Tutorials helfen spezielle Techniken zu verstehen, haben aber nichts mit kreativer Bildgestaltung zu tun und sind daher eigentlich reine Fingerübungen. Gute Bildbearbeitung entsteht meiner Meinung nach nicht durch das Verwenden von Presets und heruntergeladenen Effekten. Es ist der eigene Stil und der eigene Blick, der entscheidet, wie das Foto aussehen soll. Hin und wieder über’s Ziel hinauszuschiessen gehört dazu – nur so lernt man.

Mit der Zeit entwickelt man seine eigenen Techniken und vor allem seinen eigenen Blick. Während eines Shoots geht es primär darum die Bildsubstanz zu schaffen; d.h. sich um Pose, Ausdruck, Licht, Schärfeverlauf und Komposition zu kümmern. In der Bearbeitung geht es dann um den eigentlichen Look des Fotos. Klassisch oder eher trendy? Sauber oder eher authentisch? Nicht zu jedem Foto passt jeder Stil. Genau daher ist es wichtig einen Blick dafür zu entwickeln, was dem Foto und seinem Ausdruck steht oder nicht. Farbe, Plastizität, Schärfe und Gradation sind extrem wichtig. Wenn man sich wirklich gelungene Fotos ansieht stellt man schnell fest, dass eine stimme Kombination aus diesen Faktoren ganz wesentlich für ein gutes Bild ist.

Meine Inspiration kommt eigentlich immer aus professionellen Mode-, Portrait- und Werbefotos. Mich haben diese Hochglanz-Looks schon immer sehr fasziniert. Meistens versuche ich in der Nachbearbeitung genau dort hinzukommen. Ich probiere einfach so lange rum bis das Ergebnis meinen Vorstellungen, bzw. der Vorlage entspricht. Eine meiner wertvollsten (und doch irgendwie banalsten) Erkenntnisse, die ich an dieser Stelle erwähnen möchte: Der Look, der in der Nachbearbeitung angestrebt wird, hängt maßgeblich von der Bildsubstanz (beispielsweise von der Lichtqualität) ab.

Viele Bildstile, die man versucht, nachzumachen funktionieren einfach mit dem vorhandenen Material nicht. Daher ist es wichtig sich schon vor dem Fotografieren Gedanken darüber zu machen, wie die Bearbeitung ungefähr aussehen sollte, bzw. in welche Richtung man stilistisch gehen möchte.


Letzt Frage Malte – auch wenn ich noch stundenlange mit Dir weiterplaudern könnte (um diese Uhrzeit ist das Interview schon 2h vorangeschritten): Welche Hobbys hast Du neben der Fotografie? Lass mich raten: Reisen? Was noch?

Haha!

Aufgrund meines Studium interessiere ich mehr sehr für Neue Medien, Werbung und Design. Durch mein Interesse an der Modefotografie beschäftige ich mich mittlerweile auch viel mit Mode an sich. Da die Fotografie und vor allem die Nachbearbeitung meiner Bilder allerdings sehr zeitintensiv ist, bleibt oft leider nicht allzu viel Zeit für andere Hobbys.

Danke, Malte!

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