23. Januar 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Bilder sind Oberfläche

„Bilder sind Oberfläche. Manchmal gelingt es, sie zum Fenster zu dem Dahinter werden zu lassen.“ Für mich ist diese Feststellung Position und zugleich fotografisches Manifest.

Ich fotografiere Menschen. Am liebsten Portrait und Akt, möglichst wenig inszeniert. Und ich bevorzuge und liebe die einfache Form, weil sie Aufmerksamkeit und Wahrnehmung konzentriert. Mir gibt diese einfache Form Sicherheit und zugleich Raum und Freiheit. Wie das Fenster einen Rahmen hat und so den konzentrierten oder auch weiteren Blick in den Raum und die Freiheit dahinter ermöglicht.

Meinen ersten Akt habe ich vor einigen Jahren während eines Aufenthaltes in Berlin mit einer halbwegs funktionierenden alten Leica fotografiert, in einem Hotelzimmer auf Schwarzweiß-Film. Dem war ein zweijähriges Selbststudium der von mir geschätzten Meister der Fotografie vorausgegangen. Vor allem diejenigen fand und finde ich spannend, die mit einfachen Mitteln, aber einem gut gesetzten Bildausschnitt und dem vorhandenen Licht komponieren. Cartier-Bressons Fotografie eines liegenden Aktes in einem Atelier begleitet mich seit dieser Zeit.

Natürlich interessiert mich die Oberfläche, die äußere Schönheit eines ästhetischen Akts, ein intensiver Blick oder auch die markante Form eines Gesichts. Wenn es mir gelingt, die jeweilige Oberfläche genau und deutlich im Bild sichtbar zu machen, kann ich mein Ziel erreichen: Eine einfache Sprache sprechen, die den Blick hinter das Bild frei gibt.

Im Laufe der Jahre ist mein Interesse am Portrait immer weiter gewachsen. Zu den formalen Aspekten, die meines Erachtens in der Aktfotografie besondere Bedeutung und Gewicht haben, kommt für mich in der Portraitfotografie die Kommunikation hinzu.

Die meisten Portraits habe ich bisher in einem Café in meinem Stadtteil in Hamburg aufgenommen. Die Bilder entstehen – scheinbar en passant – im Gespräch. Es gelingt nicht immer, aber meistens entstehen die „sprechenden“ Bilder während dieser Sitzungen. Und gerade aus diesen Begegnungen heraus entwickelt sich oft eine längere Zusammenarbeit. Aber auch in einzelnen Treffen können gute Bilder entstehen.

Ich möchte, dass die Menschen, die sich von mir fotografieren lassen, als Subjekt sichtbar werden. Sie sollen wahrnehmbar werden in ihrer Rolle oder in dem, was sie von ihrer Echtheit zeigen wollen.

Im letzten Jahr habe ich damit begonnen, die formale Strenge, wie ich sie in der so genannten ästhetischen Aktfotografie finde, mit dem zu verbinden, was mich am Portrait so fasziniert: Kommunikation, der Blick, der hinter die Oberfläche geht. Deswegen mag ich die Aktfotografien, die gleichzeitig Portrait sind. Zur Schönheit kommt für mich die gleichberechtigte Begegnung hinzu, in der der Mensch vor der Kamera seine Persönlichkeit durch Mimik, Haltung und Gestik zur Geltung bringen kann.

Beim Fotografieren – und vielleicht gerade in der Aktfotografie – sind es gerade die einfach gestalteten Inszenierungen und Räume, die dem Menschen vor der Kamera und mir die größte Freiheit lassen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Beide Beteiligten können sich aufeinander und das Thema einlassen: Das Sichtbarmachen von Persönlichkeit in ihren ganz unterschiedlichen und individuellen Aspekten.

Dieses Jahr hat damit begonnen, dass Menschen, mit denen ich bereits Bilder gemacht habe, mit mir am Thema Akt arbeiten wollen. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass sich ein gemeinsames Verständnis entwickelt von der Bildsprache und dem, was gezeigt werden soll. Nicht Beauty, nicht tolle Bodys, keine coolen Locations. Persönlichkeit.

Alles andere ist langweilig.

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