kwerfeldein
15. Mai 2010 Lesezeit: ~5 Minuten

Small People – Leute in klein.

Ich wohne im Erdgeschoss, entwickle ein mir noch nicht erklärbares Faible für Schwarz-Weiß-Fotos und bin nicht ganz schwindelfrei. Mein Name ist Stephan Sachs von fischimglas.de und ich fotografiere gerne „von oben“.

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Es hat vermutlich alles damit angefangen, dass ich vor einigen Jahren für einen Kunden (ich arbeite in einer Werbeagentur) Bilder von „von oben“ recherchieren sollte. Vorstädte, Autobahnknoten, Natur, was es nicht alles gibt und zwar in der „Aufsicht“. Ich war ziemlich erstaunt, was es alles bei den großen Bildagenturen zu finden gab, was nicht und was ich mir damals gewünscht hätte. In meinem Kopf fing es zu brodeln an – habe eine Menge großartiger Fotos gefunden und der Job ist gut gelaufen. War eine interessante Sache, ein neuer Blick auf die Dinge, hat mich sehr fasziniert und ist mir dauerhaft in Erinnerung geblieben. Das war der Anfang der Reise.

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In Erlangen, der Stadt in der ich wohne (und vermutlich auch nicht mehr weg komme), gibt es neben 2 bis 3 verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr auch den „Tag der offenen Kirche“ – gut, klingt wenig prickelnd – allerdings nur im ersten Augenblick. Mit der Kamera im Gepäck und wenig Hoffnung auf lohnende Motive habe ich mir die kleine Schlange an Menschen vor dem Eingang angesehen. „Offene Kirche – klar, ist Sonntag, wäre seltsam, wenn sie nicht geöffnet wäre“ – In der Kirche war ich schon das ein oder andere Mal – neu diesmal war, dass 2 Damen an der Tür Eintritt verlangten, sowie auf den Wind und einen anstrengenden Aufstieg hinwiesen. Ein Blick nach oben verriet mir: „Hier geht’s auf den Turm“.

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Ein Glück habe ich nicht lange überlegt, meinen Eintritt gezahlt und den Aufstieg über die knarzenden Holztreppen begonnen. Auf dem Weg nach oben kamen dann doch die ersten Bedenken, ob das eine SO gute Idee gewesen war – der Ausblick über die Stadt ist sicherlich großartig, großartig wäre es auch gewesen mal ein wenig Sport zu treiben und über Kondition nachzudenken…zudem konnte man durch kleine Fenster ab und zu einen kurzen Blick nach draussen mitnehmen. Irgs – das war hoch. Wie ich es geschafft habe, 2 Jahre im 16ten Stock eines Hochhauses zu wohnen ohne den totalen Absturzkoller zu bekommen ist mir heute noch ein Rätsel. Oben.

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Was für eine Aussicht – 360 Grad über die Stadt – einfach genial und leicht überschaubar. Es waren sogar ein paar Fotografen anwesend, ein kurzes Nicken (ja, so sind wir Franken) und man hatte sich herzlichst begrüsst. Ein Blick nach unten, ein Schritt zurück – ja, definitiv zu hoch. Nach ein paar gescheiterten Panorama-Versuchen habe ich schon wieder über den Weg nach unten nachgedacht – wäre sowieso Zeit gewesen, einen Kaffee zu trinken und den Sonntag Sonntag sein zu lassen. Doch sollte es wie so oft anders kommen.

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Die Erinnerung kehrte zurück – „von oben“ – das war die Chance und die galt es zu nutzen. Also, ab ans Geländer, die Kamera nach unten gerichtet, den Sucher ans Auge und ein Foto gemacht. Noch eins. Da stand jemand – allein auf einer Verkehrsinsel – Foto, jemand geht wartend auf und ab, Foto. Und noch mal Foto… Bilderrausch! Motive ohne Ende mit einer nicht alltäglichen Perspektive und einem anderen Blick auf die Dinge und Menschen – wow. Ein derartig schönes Gefühl beim fotografieren hatte ich in dem Maße lange nicht mehr. Adrenalin pur. Ein interessanter Aspekt an der Sache war, dass es irgendwann völlig egal war, wie hoch ich mich über dem Erdboden befand – durch den Sucher alles nicht mehr schlimm.

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Dummerweise hasse ich Kameragurte und habe demnach so weit es geht keinen an der Kamera – was allerdings in einer schwindelerregenden Höhe (etwa der eines Kirchturms) höchst unpraktisch war. Fürs nächste Mal merken: Gurt einpacken! Viele Fotos später, nachdem sich auch langsam Schmerzen in den Fingern vom krampfhaften Festhalten der Kamera bemerkbar gemacht hatten war es zeit für den Abstieg.

Es war sehr, sehr windig (Ohrenentzündung folgte stehenden Fußes), auf Dauer kalt und eine völlig ausser Atem geratene Dame bat mich, doch den Turm bitte zu verlassen, da ich a) schon seit ca. 3 Stunden oben war und sie gerne absperren würden. 3 Stunden – meine Herrn, wie schnell die Zeit vergeht.

Seitdem zieht es mich regelmäßig entweder auf diesen Kirchturm, soweit möglich, oder auf andere erhöhte Bauten um „Leute in klein“ zu fotografieren – sei es „von oben“ – die Möglichkeit bietet sich leider nicht so oft, oder von anderen Standorten aus, die sie im Vergleich zu ihrer Umgebung klein aussehen lassen. Ein einfacher Wechsel der Ansicht, der mir sehr viel Freude am Fotografieren verschafft und neue Möglichkeiten der Perspektive aufgezeigt hat.

Wie sieht’s bei euch aus? Ähnliches schon mal gemacht? Schwindelfrei? Gurt immer dran?

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