21. Januar 2010 Lesezeit: ~6 Minuten

Kinder natürlich fotografieren

Als ich letzte Woche ein paar Fotos von meiner Tochter vorstellte, hatte ich schon im Hinterkopf, zum Thema „Kinder fotografieren“ einen Folge-Artikel zu schreiben. Denn das letzte Jahr hat, seitdem ich Vater bin, mein Fotografieren ganz schön auf den Kopf gestellt.

Zwar habe ich schon vor der Geburt unserer Tochter Kinder fotografiert: bei Freunden, meiner erzieherischen Tätigkeit im Hort oder als Auftragsarbeit. Doch noch nie habe ich so viel über das Fotografieren von Kindern gelernt, wie den letzten 12 Monaten.

Und noch nie war mir so bewusst, dass man Fotos nicht einfach „machen“ kann, wenn man die richtige Technik beherrscht, respektive mittels eines 10-Punkte-Planes nichts mehr schiefgehen kann. Das ist in meinen Augen eine Illusion.

Wer Kinder (oder sein eigenes) fotografiert, der arbeitet nicht mit einem Stück Holz, das man notfalls zurechtstutzen kann, wenn es zu lang oder breit ist. Nein, hier fotografiert man einen Menschen, der Charakter und eigene Wesenszüge hat – diese herauszustellen, ist Kunst und Herausforderung zugleich.

„Ach woher denn! Was soll denn daran bitte so schwierig sein. Cheeese, abdrücken, fertig …“

Cheeese, abdrücken, fertig. Wir alle wissen, wie solche Foto meistens aussehen: entweder furzlangweilig, blumig-kitschig oder gestellt-gelächelt-gestellt. Im schlimmsten Fall alles gleichzeitig.

Über die Jahre hinweg habe ich mich – wenn auch vereinzelt – damit beschäftigt, wie ich all das vermeiden könnte und mich bewusst darum bemüht, natürliche Fotos von Kindern zu machen. Als dann Januar 09 unsere Tochter Enna auf die Welt kam – und ich mich Hals-über-Kopf in dieses Wesen verliebte – da änderte sich so einiges (nicht nur aus fotografischer Sicht).

Ich habe Enna immer wieder durch den Sucher gesehen und dabei sind mir so manche Dinge aufgefallen, die ich jetzt mit Euch teilen möchte. Es sind Tipps, Ideen oder nützliche Vorgehensweisen, die ich entweder frisch entdeckt habe, oder schon zu festen Gewohnheiten wurden.


1. Empathie

Bevor ich die Kamera zücke, stelle ich mich auf das Kind, das ich fotografiere, ein. Wie geht es ihm? Wie war sein Tag bisher? Was passiert gerade mit ihm? Das mag vielleicht auf den ersten Blick etwas banal klingen, macht mich aber für die Welt der/des Kleinen sensibel – und diese Empathie brauche ich unbedingt, wenn ich das Kind „natürlich“ fotografieren will.

2. Unsichtbar werden

Ich übe mich gerade darin, als Person zurückzutreten, und dem Kind volle Aufmerksamkeit zu schenken. Das bedeutet auch, dass ich nicht hektisch umherspringe oder mich ständig bemerkbar mache. Stattdessen bewege ich mich leise und versuche, mich im Hintergrund zu halten und nur auf das Kind zu reagieren, wenn es selbst auf mich zukommt (um mir beispielsweise etwas zu zeigen, oder mit mir zu spielen).

Das braucht etwas Übung – aber so kann ich den Moment „kommen lassen“, ohne selbst einzugreifen. Interessante Fotos entstehen häufig (aber nicht nur) dann, wenn das Kind sich unbeobachtet fühlt. Sehr einfach gelingt das, wenn eine dritte Person im Raum ist, die sich mit dem Kind beschäftigt, beispielsweise die Mutter oder ein anderes Kind.

Natürlich trete ich auch bewusst mit dem Kind in Kontakt – das werde ich aber in einem extra Punkt erklären.

3. Bewegung

Dem letzten Punkt etwas entgegengesetzt ist die Bewegung. Ich habe selten – oder gar nie – gute Fotos von Kindern aus dem Sessel heraus gemacht. Viel mehr bin ich immer wieder (leise und ohne Hektik) in Bewegung und versuche, einen geeigneten Blickwinkel zu finden. Dabei verhalte ich einwenig wie ein Kameramann beim Film und folge dem Kind, wenn es die Richtung ändert – behalte aber meine Position, wenn es das auch tut.

Nach einer gewissen Zeit entsteht eine Art Synchronisation oder Spiel zwischen meinen und den Bewegungen des Kindes. Läuft es, so laufe auch ich, setzt es sich auf den Boden, tue ich dasselbe. Ganz bewusst gebe ich dem Kind Raum, sich natürlich zu verhalten und bin sein Begleiter. Ein Kind spürt das und fühlt sich dadurch nicht bedrängt, sondern sicher.

4. Perspektive

Die Perspektive, aus der ich das Kind fotografiere, kann subtil einiges über meine Beziehung zu ihm aussagen. Fotografiere ich „von oben herab“ – so kann das Kind hilflos oder winziger aussehen, als es schon ist. Ich werde quasi zum Bestimmer, zum Herrscher. Fotografiere ich aber ungefähr aus gleicher Höhe (dazu muss ich mich auf den Boden begeben), dann zeige ich mit dem Foto, dass ich das Kind gleichwertig wie mich sehe.

Somit versuche ich, häufig aus einer niedrigen Position zu fotografieren. Ich mache daraus aber keine starres Gesetz; und manchmal macht es sogar Sinn aus etwas gehobener Perspektive zu fotografieren. Kinder sind eben klein und das kann ich auch mit einem Foto durchaus mal darstellen.

5. Gesicht

Hätte mich meine Frau darauf nicht aufmerksam gemacht, dann wäre ist mir gar nicht bewusst geworden. Ich fotografiere Kinder meistens von Kopf bis Hüfte – aber selten ganz. Das liegt daran, dass ich das Kind gerne aus seinem Kontext heraushebe und zum „Hauptdarsteller“ meiner Bilder mache.

Deshalb spielt der Gesichtsausdruck eine sehr übergeordnete Rolle in meinen Fotos. Beim Fotografieren (und beim Selektieren im Nachhinein) achte ich deshalb vor allen Dingen auf etwas charakteristisches im Gesicht des Kindes. Das muss nicht immer ein strahlendes Lächeln sein – auch ein gelangweilter Blick kann durchaus interessant sein.

Ich kann 10 supergute Fotos haben, bei denen alles passt – der Gesichtsausdruck entscheidet bei mir meistens darüber, ob es ein Bild in die engere Auswahl schafft, oder nicht (ausser ich fotografiere Details, auf denen das Gesicht nicht zu sehen ist).

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So, liebe Leute – das war nun der erste Teil zum Thema Kinder fotografieren – der zweite Teil wird (sehr) bald folgen. Ich hoffe, ihr konntet meinen Punkten etwas abgewinnen und ich bin schon gespannt auf Euer Feedback!