28. März 2015 Lesezeit: ~8 Minuten

Von Wüsten, Bergen und Meeren Kolumbiens

„Kolumbien, als Mädchen und alleine?“ Diese Frage wurde mir häufig gestellt, als ich Freunden und Familie davon erzählte, dass ich meinen Job in Kanada gekündigt hatte, um nach Südamerika zu gehen.

An was denkst Du, wenn Du den Namen „Kolumbien“ hörst? Traumhafte Strände, atemberaubende Berglandschaften, endlose Wälder, weite Wüsten und herzliche, glückliche Menschen, die ihr Leben in vollen Zügen genießen? Wohl eher kaum. Pablo Escobar, Drogenkartelle, Gewalt und Paramilitärs sind leider immer noch durch die Schlagzeilen der Vergangenheit in unseren Köpfen verankert.

Grund genug, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Durch meine Reisen habe ich eine Faszination zur Natur entwickelt und die Fotografie ist mein bevorzugtes Medium geworden, um von meinen Abenteuern zu erzählen, die meist in der Nähe der Meere und der Berge gelegen sind. Eine perfekte Kombination.

Kolumbien bietet als einziger Staat Südamerikas Zugang sowohl zum Pazifik als auch dem Atlantik, darüber hinaus gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher Landschaften: Von der Wüste, zum Amazonas, zu den bunten Flüssen wie auch zu den Endzügen der Anden, von dichten Regenwäldern zu zahllosen Kaffeeplantagen ist alles dabei. Ein wenig Recherche zeigte mir, dass einige dieser Plätze durch die Geschichte des Landes noch relativ unerforscht sind und dies klang für mich nach einem großen Abenteuer.

Die Berge der Sierra Nevada

Die Sierra Nevada ist eine der faszinierendsten Gegenden des Landes und zugleich das höchste Küstengebirge der Welt. Die meisten Teile dieser Gegend sind noch nicht vom Tourismus erforscht und bieten daher viel Platz zum Erkunden.

Landschaft mit Palmen im Vordergrund und Bergen am Horizont.

Ein Weg im Urwald.

Urwald im Nebel.

Ein Zweitagestrip brachte mich und einen Freund, den ich unterwegs gewonnen hatte, quer durch die Wälder der Sierra Nevada bis auf knapp 3.000 m Höhe. Nach neunstündiger Wanderung stetig bergauf fielen wir erschöpft ins Gras und im selben Moment rollten Wolken über uns – ein Gefühl von unendlicher Freiheit, denn außer uns gab es dort niemanden. Nur wir und die Berge der Sierra Nevada.

Als die Wolken verschwanden, hatten wir einen wunderbaren Blick sowohl auf Pico Cristóbal Colón, der mit 5.700 m der höchste Berg des Landes ist, als auch auf die Karibikküste des Landes.

Dunkle Palmen im Vordergrund geben einen Blick auf die Wolken und ein Tal frei.

Ein Mann betrachtet den Sonnenuntergang und wird in goldenes Licht getaucht.

Ein gelbes Zelt in der Wildnis. Am Himmel sieht man die letzten roten Lichter der Abendsonne.

Auf dem höchsten für uns zugänglichen Platz schlugen wir unser Camp auf und genossen zu Sonnenaufgang wie auch -untergang wundervolle Aussichten. Das schönste Gefühl, das einem beim Reisen begegnen kann, wenn man so abgelegene Plätze in der Natur findet, die so unberührt erscheinen.

Die verlorene Stadt Kolumbiens

Eine weitere, 44 km lange Wanderung durch den Dschungel der Sierra Nevada brachte mich zur verlorenen Stadt Kolumbiens. Man glaubt, dass die „Cuidad Perdida“, wie der spanische Name lautet, etwa 800 v. Chr. von den Tayrona-Indianern erbaut wurde, also ungefähr 650 Jahre vor Perus Machu Picchu.

Fünf Tage wanderte ich durch die Wälder der Sierra Nevada, badete unter Wasserfällen, sprang von Klippen und übernachtete in Hängematten im Regenwald, um letztendlich 1200 Stufen hinauf zur verlorenen Stadt zu steigen. Die wunderbare Aussicht auf ein einst so florierendes Handelszentrum vermittelt heute ein verlassenes, mysteriöses Gefühl, denn man kann lediglich erahnen, was an diesem Ort vor so vielen hundert Jahren geschah, von dem heute nur 10 % ausgegraben sind.

Eine alte Stadt im Urwald.

Zwei Menschen sitzen an einem Fluss im Urwald.

Hütten von Eingeborenen im Urwald.

Auf dem Weg trafen wir neben zwei anderen Tour-Gruppen lediglich Ureinwohner des Stammes der Kogi. Eine faszinierende, spirituelle Kultur, die Nachfahren der frühen Zivilisation Südamerikas, der Tayrona, sind. Für Kogis bedeutet die Sierra Nevada die Welt und sie geben der Natur durch Opfergaben zurück, was ihr genommen wurde.

In die Wüste

Den nördlichsten Punkt Südamerikas zu erforschen und an einen Punkt zu gelangen, von dem aus man von einer Sanddüne direkt in das Karibische Meer rutschen kann, klang ziemlich spannend und weckte meine Abenteuerlust.

Sandstrand am Meer.

Kinder spielen auf einer Straße in der Wüste.

Eine weite Sandfläche. In der Ferne sieht man zwei Menschen.

Anstatt eine Tour zu buchen, bin ich auf eigene Faust losgezogen und war mit Einheimischen und ein paar anderen Backpackern in einem Truck durch die endlosen Weiten der Wüstenlandschaft der la Guajira unterwegs, ein Unfall und platte Reifen waren inklusive.

Teile der Strecke legte ich in einem Truck mit 23 Menschen, zahllosen Ladungen an Essen und Kindern auf dem Schoß zurück. Ein paar Tage verbrachte ich in einem wundervollen kleinen Fischerdorf namens Cabo de la Vela und erforschte die Gegend, bevor es für zwei Tage durch die Wüste zu Punta Gallinas dem nördlichsten Ort Südamerikas ging.

Kleine Hütte mit Boot am Strand.Ein Mensch läuft durch Sanddünen. über ihm der Blaue Himmel mit einzelnen Wolken.

Männer an einem kaputten Auto.

Der Roadtrip war ein großes Abenteuer, das mir einen tollen Einblick in das Leben der Einheimischen des Wayu-Stammes ermöglichte, die uns einluden, in ihren selbstgemachten Hängematten, den Chinchorros, zu übernachten. Stundenlanges Wandern durch La Guajira hat definitiv meine Faszination für Wüstenlandschaften geweckt.

Zurück zum Meer

San Bernado ist ein kleines Paradies in der Karibik Kolumbiens. Kristallklares Wasser, Mangrovenwälder und weiße Strände. Inmitten der Schönheit der Karibik liegt hier ein Ort, der mich auf meiner Reise besonders fasziniert hat.

Türkisblaues Meer und ein Haus auf dem Meer.

Blick von einem kleinen Boot aus auf eine Stadt am Horizont des Meeres.

Sante Cruz Islote ist die am dichtesten besiedelte Insel der Welt. 1.200 Menschen leben hier in 97 Häusern auf ungefähr 1,2 Hektar. Zu sehen, wie so viele Menschen auf so engem Raum miteinander leben, war definitiv eine spannende Erfahrung.

Haben wir verlernt, das Leben zu genießen?

Nach all den Eindrücken der letzten vier Monate hat es mich für eine Weile in die Berge Boyacas verschlagen, um dort Englisch zu unterrichten und wieder werde ich gefragt: Warum Kolumbien? Klar fing ich an, mich selbst zu fragen: „Warum bin ich denn immer noch hier, ich hatte doch nur einen Monat für dieses Land eingeplant auf meiner Reise?“

Nach einer turbulenten Zeit in Kanada ist der ruhige, entspannte Lebensstil Kolumbiens ein wunderbarer Ausgleich für mich. Auf dieser Reise habe ich von den Menschen hier vieles gelernt über den Zusammenhalt und die Einfachheit des Lebens.

Zugleich fiel mir auf, dass mir zuvor mein Lebensstil nicht wirklich erlaubte, das Leben zu genießen und jeden Tag zu schätzen. Man hetzt oftmals von einem Termin zum nächsten und hat kaum Zeit für Freunde und die Familie zwischen all den Dingen, die man jeden Tag erledigen muss. Raum für Dinge, die einen erfüllen und Zeit zu leben, bleibt da oft kaum.

Ein bemaltes Haus an einer Straße.

Eine lachende Frau an einem See.

Eine Frau balanciert auf einem schmalen Steg.

Ebenso ergeht es mir oftmals, wenn ich andere Reisende treffe: Man möchte möglichst viele Länder in kurzer Zeit abhaken. Warum lassen wir uns manchmal nicht mehr Zeit zum Genießen, um Menschen kennenzulernen, Orte zu erforschen? Zeit, um uns ein eigenes Bild zu machen, bevor wir über ein Land oder Menschen urteilen?

Ich kann mich glücklich schätzen, mir diese Zeit genommen zu haben, um in einem Land wie Kolumbien zu leben und mir ein eigenes Bild zu machen. Ein Bild von einem Land, das voller atemberaubender Landschaften und Abenteuer ist. Kolumbien, ein Land voller glücklicher Menschen, die zusammenzuhalten, ihre Zeit genießen und die mich wundervoll aufgenommen haben, um mich teilnehmen zu lassen am entspannten, kolumbianischen Leben.

Nach vier Monaten kann ich auch behaupten, dass ich als 1,58 m großes, blondes Mädchen allein und sicher durch das Land reisen konnte, auch durch Gebiete, die immer noch vom Auswärtigen Amt als unsicher gelistet sind.

Ich hoffe, mich werden diese Leichtigkeit und Einfachheit auf meiner Reise durch Südamerika weiterhin begleiten und ich werde nie verlernen, jeden einzelnen Tag zu genießen.

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