28. September 2013 Lesezeit: ~3 Minuten

Verloren gegangen

„Wir können keinen Eintrag finden.“

Mein Mund ist trocken und die Worte, die vorher noch so schön zurecht gelegt waren, nett gefaltet wie Gästehandtücher für den Besuch, bleiben einfach irgendwo in mir drin hängen.

„Das kann nicht sein!“, erwidere ich stoisch. Auf weiteres Drängen gibt er mir die Nummer eines anderen Labors. Aber auch dort die gleiche Antwort. Ich lege den Hörer beiseite, schüttle den Kopf. Hatte ich es mir vielleicht nur eingebildet, gab es diese beiden Filme überhaupt?

Aber natürlich, es gab sie. Ich hatte die Zettel in der Hand, die Nummern, die ich nun schon auswendig konnte. Kundennummer, Autragsnummer, ja, genau, hinten eine 5. Aber da war nichts. Kein Computer hatte es erfasst, kein Mensch hatte diese Ziffern in irgendein Formular eingetragen. Sie blieben unauffindbar.

Ich schüttelte wieder und wieder den Kopf. Die Erinnerungen rauschten an mir vorbei. Ich sehe die Frau vor mir, das schöne glatte Haar, ihre Haut, die Bewegungen. Ich sehe die Farben, blassgrün die Kissen, das Licht zartes Nachmittagslicht. Langzeitbelichtungen auf dem einen und ihr Körper detailliert aufgezeichnet auf dem anderen Film.

Ich erinnere mich an das Lächeln, an das Zurechtlegen der Haarsträhne, an meine Frage, ob das in Ordnung ist, wenn ich das mache, aus Angst Grenzen zu überschreiten, wo vielleicht nicht einmal eine ist.

Die Aufzeichnung eines Tages, eines Gesprächs. Flackern in den Augen, Runzeln der Stirn, Nicken. Leise gesprochene Worte, Erkenntnisse, während draußen die Amseln auf der Mauer sitzen und hereinschauen.

Ich wähle noch einmal die Nummer des Labors, frage noch einmal nach. Dieses Mal mit mehr Nachdruck. Ich ließ mich nicht abwimmeln wie bem ersten Mal und dann sagt er es endlich: Sie hätten gerade Probleme mit der Software, es könnte sein, dass er erfasst ist, aber nicht angezeigt wird. Allerdings hätten sie auch gerade Probleme mit der Annahme analogen Materials. Ich solle noch eine Woche warten und dann einen Antrag stellen, die Filme zu suchen.

„Aha“, sage ich und ein zerknirschtes Danke hinterher. Ich lege auf.

~

Die Filme sind noch immer nicht aufgetaucht. Jeden Tag gebe ich die Ziffern in die Suchmaske des Labors ein, jedes Mal flammt kurz Hoffnung auf.

Was ich daraus lerne, willst Du wissen? Mir ein besseres Labor suchen natürlich. Man bringt seine Kinder ja auch nicht irgendwo hin, nur weil es da billiger ist. „Selbst Schuld!“, raunt das schlechte Gewissen. Oft genug ist es ja gut gegangen bei diesem Großlabor.

„Masse statt Klasse, aber schön günstig, wo doch die Fime schon soviel kosten“, versuche ich kleinlaut dem schlechten Gewissen etwas entgegen zu setzen. Und außerdem kann ich Farbdiafilme einfach nicht selbst entwickeln, verdammt. Oder doch?

Das Gefühl ist jedenfalls elendig. Zwei verloren gegangen Filme.

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