13. September 2013 Lesezeit: ~11 Minuten

Bitte nachmachen!

Nach nunmehr zwei Jahren Auszeit gebe ich der Kitafotografie eine zweite Chance. Ich gehe mit neuen Augen an die Sache heran und möchte ein paar konkrete Ansätze zeigen, wie es möglich ist, die alte Kruste der alljährlich wiederkehrenden, stereotypischen Kinderfotografie aufzubrechen.

Zum Gelingen einer neuen Bildsprache im Wölkchenparadies, das keines ist, gehören nach wie vor zwei Seiten. Die der Eltern und die der Fotografen. Beide Seiten müssen Gefallen daran finden, aber an erster Stelle steht doch die fotografische Herangehensweise, auf die man vertrauen kann, wenn man weiß, dass es anders möglich ist.

Die Eltern sind und bleiben immer in der Komfortzone, sich nicht gezwungen zu fühlen, die Bilder überhaupt kaufen zu müssen. Das macht die Sache im Grunde ganz leicht, muss man doch nur das eigene Risiko kalkulieren, das man als Fotograf eingeht, gesetzt den Fall, dass nicht viele Bilder verkauft werden.

Dieses Risiko ist jedoch noch viel größer, wenn man bei den austauschbaren Bildern bleibt, die man als Eltern jedes verdammte Jahr nur ungern oder gar nicht kauft.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Es trauen sich jedoch offensichtlich nur die wenigsten Fotografen, aus der beliebigen Fließbandarbeit ein hochwertigeres Produkt zu machen. Besteht hier schlichtweg kein Interesse, weil Veränderung oftmals sehr unbequem sein kann? Denn am Risiko kann es doch kaum liegen…

Es gibt genug Fotografen, denen ich zutrauen würde, dass sie es anders machen wollen und können. Also ran an den Speck, nehmt Euch das hier zu Herzen, macht es nach und mischt die Plastikblumentierchenkofferwolkenhimmelstudiofotografie auf! Es lohnt sich, die Resonanz auf meine neuen Fotos gibt mir Recht. Es ist eine gute Zeit für Veränderung.

Die meisten meiner alten Ansätze sind nach wie vor die Basis meiner Arbeit, allem voran steht da meine große Liebe zu Kindern. Ich möchte behaupten, das ist das Wichtigste. Ihr müsst Lust auf diese kleinen Menschen haben, die schon so viel Charakter in sich tragen.

Man braucht das Verständnis für Scheu und Neugierde und die Geduld, auf jedes Kind individuell eingehen zu können, wenn es die Situation verlangt. Kinder wollen erfahren und brauchen Respekt für ihren Raum, in dem sie sich entwickeln.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Knöpfe drücken und auf das Display schauen, steht immer ganz hoch im Kurs beim Spaß. Die Ausgewogenheit, Kinder gewähren zu lassen und ihnen Grenzen zu setzen, ist meine halbe Miete, um an ihre Persönlichkeiten ranzukommen, die ich auf den Bildern haben möchte. Bei mir dürfen Kinder Knöpfe drücken und sie dürfen auch schüchtern ganz und gar und überhaupt nicht lächeln wollen.

Mit manchen Kindern gehe ich gemeinsam vor die Kamera, nehme sie an die Hand, wenn sie sich nicht trauen, weil sie nicht wissen, was da überhaupt passiert und rücke das Fotografieren für einen Moment in den Hintergrund, indem ich selbst mit Neugier auf sie zugehe, Fragen stelle und sie damit ein wenig ablenke.

Der Blick für die Gefühle der Kids lässt sich schärfen, indem man einfach mal versucht, sich daran zu erinnern, wie man sich als Kind oftmals selbst gefühlt hat. Verängstigt und schüchtern einem völlig fremden Menschen gegenüber stehend, der Fotos machen möchte und dann auch noch verlangt, dass man sich auf eine ganz bestimmte Art hinzusetzen hat und lächeln soll, was einem beides als äußerst unbequem erscheint – wie schrecklich.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Ein fremder Mensch, der Grimassen zieht, viel lacht und die Zunge heraus streckt, wirkt auf verschüchterte Kinder sehr viel positiver. Einige Kinder brauchen lange, bis sie genug Vertrauen aufgebaut haben, um sich den Ruck zu geben, aus ganz freien Stücken ins Rampenlicht zu treten.

Denn genau das ist es häufig: Ein Präsentierteller, auf dem sie sich nicht wohlfühlen. Das kennen wir doch nur zu gut von uns selbst! Und dann stehen da auch noch die ganzen Freunde und Nichtfreunde drum herum und beobachten die Szenerie höchst erwartungsvoll.

Warum sollten diese Kinder ihre Zeit nicht bekommen? Nur, weil wir Erwachsenen es verlernt haben, uns Zeit für die eigene Entwicklung zu geben? Ich habe mir zwei Jahre Ruhepause gegönnt, um am Ende mit Freude in die Kitafotografie zurückzukehren. Somit dürfen Kinder auch ihre Zeit bekommen, wenn sie sie brauchen. Es sind ja genug andere Racker da, die nur darauf warten, fotografiert zu werden.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Die Zeit ist aber auch ein wichtiger Punkt, der durchaus erschwerend für diese Arbeit hinzukommt. Zeitdruck ist die unpersönliche Basis, die das solide Fundament der kinderunfreundlichen Fotografie darstellt. Zeit ist Geld und je mehr Kinder in kürzester Zeit durchgeschleust werden, desto günstiger kann man seine Dienste anbieten und bleibt wettbewerbsfähig. Wirklich?

Natürlich möchte auch ich alle Kinder fotografieren und da sind ja auch noch die Geschwister- und Gruppenfotos. Die einzelnen Abteilungen können gut und gern eine Stärke von über 40 Kindern haben und sowohl altersbedingt, als auch aus Platzmangel sind die Essenszeiten innerhalb einer Gruppe durchaus unterschiedlich.

Dann möchte ich das Gruppenfoto machen und muss feststellen, dass ein Teil der Kinder bereits beim Essen sitzt. Und es gibt Einrichtungen, in denen es 20 bis 30 Geschwisterpaare gibt – puhhhh. Darauf muss man sich einlassen und trotzdem nicht unter Druck geraten oder in Hektik ausbrechen.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Es brauch wirklich etwas mehr Zeit, damit es unter keinen Umständen doch in eine Fließbandarbeit ausartet. Im Klartext heißt das, dass ich persönlich einen Vormittag pro Gruppe kalkuliere und optional noch einen zusätzlichen Vormittag, um fehlende Aufnahmen nachholen zu können. Seien es fehlende Kinder-, Gruppen- oder Geschwisterbilder.

Soweit spiegelt das meine ursprüngliche Arbeitsweise wider, allerdings spare ich durch meinen neuen Ansatz auch viel Nacharbeit, weil ich die Bilder nicht mehr mühselig sortieren muss, da ich alle Portraits nacheinander aufgenommen habe.

Meistens bin ich bereits während des restlichen Tages mit dem Sortieren und der Bearbeitung der jeweiligen Gruppe fertig. Das lässt auch die Preise erschwinglich bleiben, ohne dass ich auf einen Nettostundensatz von 2 – 4 € falle, was den Sinn einer Selbstständigkeit wieder zunichte machen würde. Man kann sich selbst ausrechnen, wie teuer man eine Mappe anbieten muss.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Anspruchsvolle Fotografie muss nämlich nicht zwangsweise auch mit anspruchsvollen Preisen einhergehen. Man sagt mir zwar oft, dass ich meine Bilder unter Wert verkaufe, aber über Wert und Wertigkeit bestimme immer noch ich selbst. Und nicht zuletzt auch die Eltern, denen ich lieber tolle Bilder ihrer Kinder möglich machen möchte, als meinen sonst üblichen Stundensatz in Rechnung zu stellen.

Auch, wenn es Fotografen gibt, die für schlechte Bilder gerne mal 18 € pro Abzug verlangen, werde ich mich weigern, meine Preise ins Unermessliche zu steigern, dennoch sollte auch klar sein, dass ich eine komplette Mappe nicht für 12 € anbiete, was in Berlin leider durchaus üblich ist. Dann gebe ich lieber die Möglichkeit, einen einzelnen Abzug zu kaufen, denn nicht jeder kann sich eine ganze Mappe leisten.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Soviel zu Zeit, Geduld und Verständnis, die Liebe zu Kindern und der richtige Umgang mit ihnen, ganz viel Freude und Spaß und die wirtschaftliche Sicht auf den Verdienst. Man brauch natürlich auch noch die passende Leidenschaft zur Fotografie, aber mit alldem lässt sich schon eine ganze Menge anstellen.

Aber ich will auch ehrlich sein: Es ist nicht gerade wenig, was man von vornherein mitbringen muss und wer mit Kindern nicht geduldig umgehen mag oder kann und für den das alles eher anstrengend ist, als dass es Spaß macht, der sollte sich lieber überlegen, welche Betätigungsfelder für ihn besser geeignet wären.

Abschließend möchte ich noch ganz kurz auf die Technikfrage eingehen und ein paar Ideen einbringen, wie man Kinder spielerisch vor der Linse beschäftigen kann.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Ich arbeite mit nur einem Blitzkopf und einer Softbox (Elinchrom Ranger Quadra und Rotalux Deep Octa 70cm). Meine Kamera packe ich auf ein Stativ und hänge noch die Kabellage meines Funkauslösers dran. Ein passender Hintergrund findet sich immer, man muss eben nehmen, was gegeben ist und daraus das Beste machen. Hierbei achte ich vor allem auf die Strukturen der Wände und etwas Platz, denn es springen ja doch eine Menge kleine Wildfänge umher.

Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Kinder zwar sehr neugierig sind, aber instinktiv eher vorsichtig mit der Technik umgehen. Ich zeige ihnen immer gern, was ich da mache und erzähle auch, wofür ich das ganze Zeug brauche. Kaum ist die Neugier gestillt, geht’s auch schon los.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Anfangs mache ich mit jedem Kind ein paar Test-Aufnahmen, um zu zeigen, wie hell das große, seltsame Ding mit dem weißen Tuch wird, wenn ich ein Foto mache. Dabei kommen oftmals schon die besten Bilder zustande. Ich sage den Kindern, dass sie das sogar selber machen dürfen und gebe jedem den Auslöser in die Hand.

Es ist so aufregend, wenn man auf das kleine Knöpfchen drückt und dabei der Blitz die erstaunten Augen zum Leuchten bringt. Da ist ja sogar eine Antenne dran und es funktioniert immer noch, wenn man den Drücker in der Tasche versteckt. Die Kinder haben etwas zu entdecken und sie dürfen tatsächlich selber Bilder machen.

Die Begeisterung steigert ihren Ausdruck und ich hole mir ganz nebenbei noch genug eigene Bilder, indem ich selbst die Kamera auslöse. Welche Verwunderung, wenn ein Kind gar nichts gemacht hat und es trotzdem blitzt.

Nachdem ich mir den Auslöser zurückgeholt habe, mache ich noch ein paar „echte“ Aufnahmen. Die Kappe hat doch noch gar nicht richtig gesessen, kurz mal absetzen, dann wieder aufsetzen. Das Halstuch gerade rücken, das Kleidchen zurechtzupfen. Die Haare verwuscheln und wieder in Ordnung bringen und die Spange noch einmal neu festklipsen und – schwupps – sind die Bilder im Kasten.

Ein kleiner Zauber für ein paar Minuten.

© Katrin Dinkel© Katrin Dinkel

Die meisten Kinder können es kaum erwarten, selbst dieses kleine Spiel zu spielen. Die Schüchternen schauen noch eine Weile zu und irgendwann wollen dann auch sie mal an die Reihe kommen. Die wenigen Ausnahmen, die es immer mal wieder gibt, hole ich mir dann einfach doch noch im freien Spiel.

Ich habe ein Schema entwickelt, das sich an Spaß und Respekt orientiert, die Kinder voll in das Geschehen mit einbindet und ihnen genug Raum lässt, selbst entscheiden zu können, wann und wie die Bilder entstehen.

Lassen wir künstliche Hintergründe und gequältes Lächeln, für wen auch immer, bitte öfter mal beiseite. Es gibt unzählige Eltern und noch sehr viel mehr Kinder, die es Euch danken werden!

Und wie sehr ich Euch danken werde, wenn meine Worte und Bilder zu kinderfreundlichen und schöneren Kitafotos beitragen. Ich kann das nicht allein, liebe Kollegen und Eltern. Die Kinder brauchen unser aller Umdenken dafür.

Kinder wollen verzaubert werden und nicht als Statist in einem statisch gestellten Foto eine Rolle spielen, die sie nicht verstehen.

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