24. August 2013 Lesezeit: ~4 Minuten

anderStark – Starke Frauen brauchen keine Muskeln

Aus einer Idee wuchs bei dem ungewöhnlichen Fotoprojekt „anderStark“ Schritt für Schritt eine Erfolgsgeschichte. Frauen mit muskulärer Erkrankung sollten portraitiert werden, am Ende enstand nicht nur ein Bildband und eine Vernissage mit fast 1.000 Besuchern, sondern auch eine Wanderausstellung und eine riesige Fangemeinde.

Unter dem Motto „Starke Frauen brauchen keine Muskeln“ wurden dabei eindrucksvolle Konzept-Portraits gemacht, die sich nicht nur sehen lassen können, sondern auch öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Umgang mit körperbehinderten Menschen schaffen sollen.

Die Reise © Jessica Prautzsch

Organisiert und initiiert wurde das ganze Unterfangen von der 25-jährigen Hamburgerin Anastasia Umrik, die selbst an spinaler Muskelatrophie erkrankt ist. „Die meisten Menschen haben wenig mit schönen und starken körperbehinderten Frauen zu tun, sie haben Ängste, Unsicherheiten und große Hemmschwellen. Mit diesem Projekt soll versucht werden, die negativen Emotionen abzubauen. Es gibt nichts zu verstecken und das sollen alle erfahren“, sagt sie zu ihrer Motivation für die Sache.

Die Entwicklung © Anna-Lena Ehlers

Über diverse Netzplattformen kamen zunächst mehrere Fotografen mit ins Boot, die ehrenamtlich in das Projekt einstiegen. Den Großteil der insgesamt über 60 Shootings im Verlauf von zwei Jahren absolvierten schlussendlich die beiden ebenfalls in Hamburg ansässigen Fotografinnen Jessica Prautzsch und Anna-Lena Ehlers, die in ihren Fotos mit diversen Klischees über Behinderung und Schönheit aufräumen, aber auch andere ungewöhnliche Ideen mit den Modellen aus ganz Deutschland realisieren.

„Ich hatte den Wunsch, das Thema Schönheit anders zu visualisieren als es das Gros der Fotografen tut und wollte den Menschen einen neuen Blickwinkel auf das Thema zeigen. Anastasia hat mir die Möglichkeit gegeben, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Mit anderStark kann ich mit meinen Fotos der Gesellschaft zeigen, dass eine behinderte Frau zunächst auch einfach mal nur eine schöne Frau und nicht einfach ‚die Behinderte‘ ist. Und: Das Stärke nicht immer nur etwas mit dem Äußeren zu tun hat, sondern vor allem eine Einstellungssache ist“, so Jessica Prautzsch über ihre Herangehensweise an die Shootings.

Am Pool © Jessica Prautzsch

Das parallel mit dem Wachsen des Projektes entstandene Buch finanzierte das Team von anderStark über die lokale Crowdfunding-Plattform „Nordstarter“. Die sich im Laufe der Zeit über Facebook eingefundene Fangemeinde sorgte dabei in zwei Finanzierungsrunden für Einnahmen von fast 5.000 €, die für den Druck des Bildbandes und der Fotos für die Ausstellung verwendet wurden.

Ganz ohne Hürden lief das allerdings nicht ab, erinnert sich Jessica: „Das Gute am Crowdfunding ist, dass es so unkompliziert funktioniert, wenn man einmal die Regeln und Abläufe verstanden hat. Trotzdem war es für mich und das Team eine große Herausforderung, das Projekt bei Nordstarter richtig zu präsentieren und andere Menschen darauf aufmerksam zu machen.

Die größte Barriere beim Crowdfunding ist auf jeden Fall das Marketing. Alle bekannten sozialen Netzwerke wie Facebook und Co. sind hierfür sehr gut geeignet. Dabei muss dann allerdings ein gesundes Maß gefunden werden. Zu viele Posts ziehen eher einen negativen Effekt nach sich, während zu wenig natürlich auch keinen positiven Effekt haben.“

Heilen © Anna-Lena Ehlers

Den vorläufigen Höhepunkt erlebte anderStark schließlich im Juni mit einer Ausstellung in Hamburg inklusive Modenschau mit den Modellen und Vorführung von diversen Videoberichten und Dokumentationen über das Projekt. Aus über 400 finalen Motiven wählte das Fotografenteam zusammen mit Initiatorin Anastasia Umrik die vierzig Motive aus, die auch im Bildband des Projekts angesehen werden können.

„Die Vernissage war für mich groß – ich hätte nie damit gerechnet, dass so viele Menschen unserer Einladung folgen würden. Der Abend war für mich Inklusion pur – weil wirklich fast alles an Menschen vertreten war: Generationen von schwangeren Frauen bis hin zu älteren Herrschaften, Schwarze, Weiße, ‚Rollis‘, Kleinwüchsige, Prominente, Modelle, Kinder, Musiker.

Ein buntes Gewusel unterschiedlichster Menschen – und im Herzen alle gleich“, beschreibt Anna-Lena das für alle Teammitglieder überwältigende Interesse an der Ausstellung, die schon am Eröffnungsabend fast 1.000 Menschen besuchten.

Memento Mori II © Jessica Prautzsch

Das Projekt ist damit aber noch nicht abgeschlossen: Im Herbst soll anderStark in eine internationale Wanderausstellung übergehen, zunächst ist eine Station in Wien geplant, ein Kalender für 2014 mit neuen Motiven soll außerdem veröffentlicht werden. Anastasia Umrik hat derweilen schon ihr nächstes Projekt in Arbeit, das sich wiederum um Inklusion dreht und den Titel „InkluWAS“ trägt.