14. März 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Das Geheimnis der Bücher

Wenn Fotografen sich einen Namen gemacht haben, wenn sie mit ihrer Arbeit die Blicke, also die Sicht auf etwas verändern können, dann erscheint im Laufe ihres Lebens – oder oft auch erst nach ihrem Tod – das zusammenfassende Werk.

In einer Zeit, in der fast jeder seine Bilder in Buchform präsentieren kann oder zahlreiche Fotoplattformen unzählige Uploads verzeichnen, ohne einen fachkundigen Kurator zur Seite zu haben, sind diese Mammutwerke von besonderem Interesse.

Diese Bücher sind etwas Besonderes. Sie enthalten Geheimnisse. Sie inspirieren uns. Sie geben uns einen Überblick über eine Schaffensperiode. Es sind Zeugnisse von Menschen, die etwas von ihrem Handwerk verstehen oder verstanden haben. Wir sollten ihnen zuhören, wann immer wir können, von ihnen lernen und ab und an kurzweilig in Demut versinken.

Jedes Genre hat seine eigenen Helden. Meine Helden sind zwei Damen: Deborah Turbeville und Sarah Moon. Beide haben in den Wirren des zweiten Weltkrieges, die eine in den USA und die andere in Frankreich, das Licht der Welt erblickt. Beide waren früh in der Modeszene involviert, beide haben ihre eigene Sprache entwickelt und das Genre damit stark bereichert.

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(c) Deborah Turbeville

Im Oktober 2011 erschien „Deborah Turbeville: The Fashion Pictures“* im Rizzoli Verlag. Ich bin mir sicher, würde man ihre Bilder heute in einer der vielen Fotocommunities zeigen und besprechen, sie wären wohl dem Zeriss ausgesetzt.

Sie liebt die Unschärfe und man findet sie in vielen ihrer Bilder. Oft aber sind sie auch zerkratzt, geklebt, mit anderen verbunden, bruchstückhaft, träumerisch, verloren. Sie werden auch bemalt oder beschriftet. Auf einigen sieht man sogar Fingerabdrücke. Sie selbst sagte dazu: „I destroy the image after I’ve made it.“

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© Deborah Turbeville

Sie kam erst spät zur Fotografie. Mit 28 Jahren nahm sich Richard Avedon ihrer an. Er mochte ihre verschwommenen Bilder und lehrte ihr das Handwerk. Anfang der 1970er Jahre konnte sie sich offiziell Fotografin nennen. Einen Namen machte sie sich 1975 mit ihrer Serie „Bathroom“ für die amerikanische Vogue und weitere Aufträge folgten.

In ihrem Buch kann man wohlig in diese Unschärfen stürzen. Es werden die bekanntesten Modestrecken gezeigt sowie unveröffentliche Bilder, die für Chanel entstanden. Ihre Bilder, die nie ganz da wirken, haben die Modefotografie nachhaltig beeinflusst und ich bin froh, sie zwischen all den Fotografen entdeckt zu haben.

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© Deborah Turbeville

Sarah Moons Retrospektive Sarah Moon 12345 erschien 2008 in einem fünf-bändigen Buch zusammen mit ihrem Film „Mississipi One“ im Verlagshaus Thames & Hudson.

Die Bände sind als Film in Buchform gestaltet und jeder Band steht für ein Genre oder für eine Schaffensperiode in Moons Leben. Denn sie war nicht nur Fotografin, sondern auch Model und Filmemacherin.

Leider besitze ich ihr zusammenfassendes Werk bis heute nicht, weil mir der stolze Preis von über 150 Euro zu schwer im Magen liegt. Aber darin geblättert habe ich schon allzu oft und bin immer wieder überwältigt.

Die Menschen auf ihren Bildern werden behutsam betrachtet. Sie holt sich den Moment, der unbemerkt bleibt. Im Weggehen einer Person fängt sie das Zögerliche, im Augenblinzeln das Nachdenkliche ein. Ihre Bilder können aus tanzenden Farben bestehen, sind aber niemals aufdringlich, wenn auch fordernd.

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© Sarah Moon

Ihre Schwarzweißwelten sind dunkel, träumerisch und verwirrend. Wie ein Zerrspiegel erscheinen die Menschen darin und man glaubt, es reiche, nur die Hand auszustrecken, um ebenfalls auf die andere Seite des Bildes gezogen zu werden.

Auch außerhalb der Modewelt legt sie ihre Kamera nicht aus der Hand, denn nicht nur Menschen sondern auch Landschaften und Tiere finden ebenso Zutritt in ihre schöpferische Welt.

Ich könnte noch ewig weiter über ihre Arbeiten und sie selbst schreiben, lege Euch aber lieber das Interview ans Herz, erschienen 2011 in der ZEIT.

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© Sarah Moon

In den Werken beider Fotografinnen habe ich etwas gefunden, das mich berührte. Die Beschäftigung mit ihren Arbeitsweisen und Ansichten haben mich beruhigt und darin bestätigt, weiter zu gehen und mir selbst treu zu bleiben.

Und nun seid Ihr dran. Erzählt mir: Wer sind Eure Helden? Wer inspiriert Euch, von wem lernt Ihr?

Die Bilder von Deborah Turbenville stammen alle aus dem Buch „The Fashion Pictures“. Die Bilder von Sarah Moon aus „Sarah Moon 12345“. Ich danke den beiden Verlagshäusern Rizzoli und Thames & Hudson für die Bereitstellung der Bilder.

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