07. Februar 2013 Lesezeit: ~8 Minuten

Von Frankreich über Spanien nach Skandinavien – Teil 2

Die Sonne hatte den Horizont noch nicht erreicht und ich machte mich nach meiner Reise durch Frankreich auf den Weg durch die Dunkelheit zu meinem neuen Ziel: Bilbao. Oder viel mehr dem architektonischen Glanzpunkt dieser Stadt: Dem Guggenheim Museum.

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Bilbao, die größte und wichtigste Stadt im Baskenland genießt leider einen zweifelhaften Ruhm als eine der unattraktivsten Städte Spaniens. Das Guggenheim Museum, das sich mir schon von Weitem zeigte, machte dieses Negativurteil aber nach Erblicken wieder wett.

Die Sonne ging gerade auf, als ich mich an die Arbeit machte und die fast organischen, glänzenden Formen dieses architektonischen Meisterwerkes fotografierte. Frank O. Gehry hat sich, und das behaupte ich ruhigen Gewissens, mit diesem Gebäude selbst übertroffen. Mit etwas Geduld und Umblick habe ich mir weitere interessante Standorte gesucht, um das Museum aus ein paar anderen Blickwinkeln zu portraitieren.

Die lebendigen Formen ließen mich das Gebäude als eine Art „schwarze Königin“ erleben, die sich unter ihrer dunklen Krone mit der Sonne erhebt und im heller werdenden Sonnenlicht erstrahlt, um sich abends dem immerwährenden Zyklus hinzugeben und die Krone im Akt einer architektonischen Inthronisation im Dunkel der Nacht abzulegen.

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Um die Mittagszeit machte ich mich – wieder im strahlenden Sonnenlicht – auf den Weg in den Küstenort Zumaia, nördlich der Stadt Bilbao, kurz vor der französischen Grenze. Zumaia ist bekannt für einen schmalen, kurzen Küstenabschnitt, der so abenteuerlich zerklüftete Felsen aufweist, die sich wie Speere in den Atlantischen Ozean schneiden, dass man meinen könnte, man befände sich auf dem Mond.

Nach einer längeren Suche hatte ich den kleinen Abschnitt dann entdeckt und wurde nicht enttäuscht. „That’s one small step for mankind, one giant leap for me“, um dabei an Neil Armstrong zu denken.

Die vom Wasser geschliffenen, spitzen und teils merkwürdig geformten Vorsprünge zogen sich weit in den Ozean und es war möglich, auf ihnen zu klettern, um gute, eher seltene Blickwinkel dieses Phänomens zu erhalten. Mit nassen (wirklich sehr nassen) Füßen machte ich mich anschließend auf den Weg zurück nach Biarritz, um mich auf meine Rückreise gen Deutschland vorzubereiten.

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Ein paar schöne und vor allem eindrucksvolle Tage gingen zu Ende und ich flog trotzdem mit zwei lachenden Augen zurück in die Heimat. Kopenhagen und Malmö standen kurz bevor und ich freute mich auf ein spannendes Äquivalent zu Frankreich.

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So ging es nur kurze Zeit später mit dem Flieger in die dänische Haupt- und Hafenstadt Kopenhagen, die mich in herrlichstem Sonnenschein empfing. Wer meine Arbeiten schon eine Zeit lang verfolgt, wird mittlerweile wissen, dass ich selten bei hartem Sonnenlicht fotografiere und strenge Licht- und Schattenbildungen vermeide, um meinen Arbeiten ein homogenes, weiches Äußeres zu verleihen.

Der Tag verging also, indem ich mir geeignete Orte zum Fotografieren suchte, um bei geeignetem Wetter direkt dort beginnen zu können. Am nächsten Morgen war das Wetter so, wie ich es bestellt hatte! Wolken. Graue, dicke, schnell vorbeiziehende Wolken.

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Mein erstes Ziel, auf das ich mich festgelegt hatte, war die Øresundsbron zwischen Dänemark und Schweden, mit fast 8 Kilometern Länge die weltweit längste Schrägseilbrücke. Die einfachste Möglichkeit, in die schwedische Hafenstadt Malmö zu gelangen, ist die Fahrt mit einem der stündlich abfahrenden Züge vom Kopenhagener Hauptbahnhof oder direkt vom Flughafen Kastrup. Weitere Möglichkeiten bestehen darin, die Brücke mit dem Auto zu überqueren oder eine etwas längere, dafür aber idyllischere Fahrt mit der Fähre über den Øresund.

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Ausgestiegen am ersten Bahnhof auf dem schwedischen Festland und euphorisiert von der Tatsache, dass ich die Brücke in nur wenigen Minuten fotografieren könnte, lief ich flotten Schrittes in Richtung Küste. Der Bus benötigt vom Bahnhof bis zur Brücke etwa acht Minuten. Da kann ein Fußmarsch nicht ewig dauern.

Der Schein trügte, denn nach zwei Stunden Marsch durch die schwedische Einöde war ich noch immer nicht am Ziel und hatte mich trotz GPS im Telefon verlaufen. Die Schweden – und diese Tatsache finde ich ausgesprochen vorbildlich – sprechen ein perfektes Englisch und sind sehr hilfsbereit, so dass man einen zufällig vorbeikommenden Radfahrer oder Fußgänger einfach fragen kann, wie man auf schnellstem Wege zur Brücke kommt.

Nach zweieinhalb Stunden mit kiloweise Gepäck auf dem Rücken, gelangte ich zur Öresundbrücke. Das Wetter war noch immer perfekt. Graue, dicke Wolken zogen sich über den Horizont, der Wind blies mäßig, die See war ruhig. Den Bogen, den die Brücke an der höchsten Stelle bildet, fand ich ausgesprochen fotogen.

Auch hier, wie schon bei der Pont de l’Île de Ré, erinnerte mich das Bauwerk aufgrund der vier Pfeiler in der Mitte der Brücke an ein gigantisches, versteinertes Urgetüm, das sich streckt und spannt, um die Weite der Bucht zu überwinden. Überwältigend! Ein Meisterwerk, das sich vor meiner Linse räkelte und mir die Chance gab, meine Langzeitbelichtungen zu machen.

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Malmö bietet aber auch sonst ein paar absolute Highlights: Der Turning Torso von Calatrava und das westliche Hafengebiet mit vielen Motiven und Objekten, die sich gerade für Langzeitaufnahmen eignen, so dass ich ein paar Tage später beschloss, ein zweites Mal nach Malmö zu fahren.

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In Zentrum Kopenhagens locken Gebäude wie der Rundetårn, der das älteste Observatorium Europas beherbergt. Über einen in Spiralen nach oben gezogenen Gang gelangt man nach siebeneinhalb Drehungen im Zentrum des Turms auf eine Plattform und kann von dort einen wundervollen Blick über Kopenhagen und Umgebung genießen. Erst von oben kann man erkennen, wie weitläufig sich diese Stadt in die Breite zieht und dass zahlreiche interessant verzierte Kirchtürme zwischen den sonst eher flachen Gebäuden aufragen.

Im „runden Turm“ hielt ich mich vergleichsweise lang auf, da Licht und Kontraste in dort schwer zu bewältigen waren. Verfügbares Licht fällt ausschließlich durch winzige Fenster nach innen, so dass der Gang des Turms meist im Dunkeln liegt und teilsweise eine ungünstige Schattenbildung produziert.

Das Licht der Fenster reflektierte an den weißen Wänden allerdings so stark, dass eine harmonische Belichtung viel Zeit in Anspruch nahm. Hat man den perfekten Standpunkt gefunden, hieß es nur noch, auf den passenden Moment zu warten, um Architektur und Leben in Form einer sich im Bild bewegenden Person miteinander in Verbindung zu bringen. Ein Statist, der die sonst eher statische Dynamik des Turm aufhebt, aber nicht unterwirft.

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Ein eher ungeplantes Motiv befindet sich ständig vor den Augen vieler Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel, wird aber wohl eher unbemerkt hingenommen: Die Kopenhagener Metro hat den Vorteil einer führerlosen Fahrt, so dass es dem Fahrgast ermöglicht wird, von vorn nach hinten durch die Bahn zu schauen und den Transport durch die Tunnelsysteme unterhalb der Stadt – nur durch eine Front- und Heckcheibe getrennt – zu genießen.

Mit etwas Geschick und Geduld schafft man es, freihand so nah an die Scheibe zu gelangen, dass die Spiegelung der Beleuchtung im Sucher verschwindet und eine Aufnahme von 1/5 oder 1/6 s möglich wird, die eine spannende Dynamik mit scharfen Linien im Foto zeigt und den Tunnel, der hinter einem verschwindet, zusätzlich in die Länge zieht.

Man hat schnell den Dreh raus und ist meist ungestört, da ein Großteil der Kopenhagener Bevölkerung eher auf das Fahrrad als allgemeines Transportmittel zurückgreift und die Metro somit zum Glück mäßig besetzt ist.

Mein Fazit des fünftägigen skandinavischen Besuchs, dessen Fotos in der Werkgruppe Øresund zusammengefasst wurden: Lohnenswert! Weitere Fotostrecken und Werkgruppen befinden sich gerade in Planung, also haltet Ausschau nach weiteren Håggards, die Euch hoffentlich genauso gefallen.

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