21. Januar 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Vierter Monatsbericht vom iPhone-Projekt

Seit vier Monaten fotografiere ich ausschließlich mit dem iPhone, um herauszufinden, was passiert, wenn ich die DSLR liegen lasse und mich hundertprozentig auf das Mobiltelefon einlasse. Dies ist der vierte Monatsbericht.

Und bevor es gleich in die Tiefe geht: Ich bin mit meinen Bildern aktuell nicht wirklich zufrieden. Ich finde meine Fotos okay, aber auch nicht mehr. Dazu kommt noch, dass ich so tief in der Materie bin, dass es mir schwer fällt, eine Distanz zu den Bildern zu bekommen.

Das merke ich vor allem dann, wenn ich die Fotos für meinen monatlichen Bericht aussuche. Welches zeigen, welches nicht? Diese Unsicherheit gehört dazu. Jedoch möchte ich hier niemandem etwas vormachen.

Ich sehe mich auch nicht als toller Straßenfotograf, sondern habe – auch durch die technisch reduzierten Möglichkeiten des iPhones – das Gefühl, ganz am Anfang zu stehen. Mir ist klar, dass die Fotos, die ich hier zeige, keine Superknaller sind.

Jedoch ist ein Teil meines Projekts der monatliche Bericht. Und der ist, wie er ist: Nah dran am Geschehen und ohne Anspruch auf Perfektion.

Das iPhone selbst ist mittlerweile selbstverständlicher Teil meiner Arbeit geworden. Das bedeutet, dass die Euphorie vom Auftakt geschwunden ist und es sich nicht mehr ungewohnt anfühlt, mit dem iPhone zu arbeiten.

Das Fotografieren mit der DSLR war für mich immer der Inbegriff meiner Leidenschaft. Ich hatte ein gewichtiges Gerät mit Objektiv drauf in der Hand, das über lautes Auslöserklacken ein auditives Feedback gab.

Allerdings fallen mit dem iPhone diese Faktoren gänzlich weg und somit auch das Gefühl, fotografisch tätig zu sein. Wenn ich meinen Kollegen aus dem Büro sage, ich „gehe mal fotografieren“, dann stimmt da irgendetwas nicht.

Denn das Arbeitsgerät ist sehr leicht und wenn ich Handschuhe trage, fast unsichtbar. Das Objektiv ist im Vergleich zum 50mm als solches nicht zu erkennen. Und das elektronische Klickgeräusch habe ich ausgeschaltet, also das Letzte, was an eine Kamera erinnern könnte, eliminiert.

Nein, das Wort Fotografieren ist für mich überflüssig geworden und ich erlebe das als eine Art Befreiung. Es ist mehr ein Probieren, Skizzieren, Dokumentieren. In der Stadt, unter Menschen. Dort, wo der Alltag tobt.

Da in dieser Jahreszeit selten die Sonne scheint, es meist trüb und düster ist, kann ich erst ab 9:30 Uhr so richtig loslegen. Ich bin somit, mehr als vorher, angewiesen auf das Wetter. Warum das?

An einem dunklen Tag zeigt mir das iPhone an, dass es 1/30s belichtet. Damit einen Menschen, der sich ein wenig bewegt, scharf festzuhalten, ist unmöglich. So warte ich meist etwas ab, messe immer wieder nach und schaue, wann das Licht mindestens 1/120s erlaubt. Und selbst damit ist nicht garantiert, dass die Aufnahme scharf ist. Das ist manchmal ziemlich frustrierend.

Ich versuche, so weit möglich, einen besonderen Moment zu erwischen – und das heißt gar nicht zwangsläufig, dass eine Person (erkennbar) abgebildet sein muss. Es geht mir darum, einzufangen, wenn das Ungewöhnliche aus dem Gewöhnlichen hervortritt.

Ein Zufall sozusagen, in dem zwei oder mehr Aspekte im Einklang sind, sich widersprechen oder meinem inneren Auge komisch, trist oder gar fröhlich erscheinen. Und damit diese Vorgabe erfüllt werden kann, muss ich einige Kilometer laufen und stets offen für das Unvorhergesehene sein.

Und 99% meiner Fotos sind Bullshit. Sie sind vielleicht auf den ersten Blick ganz interessant, haben aber keine Seele, sprechen nicht zu mir oder es fehlt ihnen das gewisse Etwas, das ein Foto – wohlgemerkt – für mich spannend macht.

Jedoch ist dieses eine Prozentfitzelchen das, wonach ich suche. Dann passen viele Dinge zusammen. Oft bemerke ich erst beim Durchblättern der Bilder, dass es sich eben doch gelohnt hat, eine Aufnahme zu machen, die ich vor Ort nur potentiell gut fand.

Ich habe mich außerdem dazu entschieden, pro Tag nicht mehr drei, vier oder sogar mehr, sondern abends zwischen 19 und 21 Uhr ein einziges Foto zu veröffentlichen. Das reicht vollkommen und bringt auch ein wenig Ruhe in das Projekt.

Beim Fotografieren selbst versuche ich, einem Rat von Jay Maisel zu folgen. Er sagte einmal: „Go out empty“, was für ihn so viel bedeutet wie: Jedes Konzept, das im Kopf schwirrt, zu verwerfen. Nicht nach bestimmten Dingen (Farbkontrasten, Mustern und Formen, Gegenüberstellungen) zu suchen, sondern offen zu sein, für das, was kommt.

Denn jedes Konzept kann mir im Wege stehen, das zu sehen, was gerade vor mir passiert, weil ich quasi eine Art Tunnelblick habe, der alles andere ausschließt.

Meist nutze ich den späten Abend, um die Aufnahmen des Tages durchzugehen und zu finalisieren. Da ich aktuell komplett in Farbe arbeite und nicht stark in die Aufnahme eingreifen möchte, gibt es selten viel zu ändern.

In Snapseed beschneide ich, ziehe die Kontraste etwas an oder korrigiere die Farbtemperatur minimal. Die eigentliche Arbeit besteht darin, die guten von den schlechten Bildern zu trennen und Perlen im Sauhaufen zu finden. Wenn es denn Perlen gibt.

Und es gibt diese Tage, an denen ich weiß: Ein paar Fotos waren ganz okay, aber gut waren die nicht.

Doch es lohnt sich, mich immer wieder auf mein – zugegeben – kauziges Projekt einzulassen. Ich merke, dass ich so langsam richtig tief drin bin, aber noch weit entfernt von dem, was möglich ist. Die Straßenfotografie steckt voller Überraschungen und ich bin gespannt, was die Zukunft mir schenken mag.

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