07. November 2012 Lesezeit: ~11 Minuten

Prag

Am liebsten fotografiere ich Architektur in jeglicher Form. Und so kam es, dass ich das Foto einer Treppe sah, die sich geformt wie eine Glühlampe nach oben schraubte. Das wollte ich auch. Die Recherche nach dem Fundort ergab, dass sie sich in Prag befindet. Fortan suchte ich nach weiteren Fotozielen in Prag und fand eine ganze Menge. Futuristische Fahrstuhlschächte, schwedische Treppen und tanzende Häuser. Schnell wurde klar: Da muss ich hin!

Der Plan

Zuerst machte ich mich per Flickr und Google auf Locationsuche. In Ermangelung eines internetfähigen Telefons musste ich tatsächlich auf einen Oldschool-Stadtplan zurückgreifen, in dem ich erst einmal jedes in Frage kommende Motiv verzeichnete. Da man als Schüler praktisch immer knapp bei Kasse ist, hielt ich drei Tage mit Übernachtung im günstigen A&O-Hotel für angemessen.

Außerdem wollte ich die meiste Zeit unterwegs in der Stadt sein, es würde also relativ egal sein, wo ich nächtigte. Um einmal vorzugreifen: Tatsächlich reichten die drei Tage perfekt aus. Für die Hin- und Rückfahrt buchte ich den sehr praktischen Bus, der jeden Tag für nur 16 Euro vom Dresdener Hauptbahnhof nach Prag fährt.

Auch um die Fotos machte ich mir im Vorfeld erste Gedanken, um bereits beim Fotografieren auf das Endergebnis hinarbeiten zu können. Es sollte also hauptsächlich um interessante Architektur gehen. Diese wollte ich relativ schlicht und clean, mit möglichst wenigen störenden Elementen und ohne stürzende Linien darstellen.

Weitere Überlegungen betrafen die mitzuführende Fototechnik. Ich nahm mit: Die Canon EOS 550D. Allen mir innewohnenden Vollformat-Träumen zum Trotz leistet sie doch durchaus gute Dienste. Dazu ein 10 – 20 mm Weitwinkelobjektiv von Sigma für die Acrhitekturaufnahmen.

Das ist zwar nicht das schärfste Objektiv, das man haben kann, aber ich bekam es einst günstig und fokussiert man manuell, sollten die Schärfeprobleme zu minimieren sein. Als Stativ kam ein handliches Cullman Nanomax 260 zum Einsatz. Außerdem packte ich einen Graufilter der Stärke ND1000 der Firma Haida ein.

Und dann ging es Ende Juli 2012 zusammen mit meiner Freundin auf nach Prag.


Ort der Aufnahme

Die Reise – Tag 1

7 Uhr, der Bus mit der Aufschrift „Dresden – Prag“ setzte sich in Bewegung, verließ die Stadt, dann das Land. Tschechien begrüßte uns mit Nebelschwaden über der Elbe, alle zückten ihre iPhones. Mehrmals wäre ich am liebsten ausgestiegen, um die Landschaft zu fotografieren. Aber viel lieber wollte ich jetzt Prag sehen.

Die Fahrt dauert auch gar nicht lang, sodass wir nach etwas über einer Stunde auch schon ankamen. Der Bahnhof Holešovice sah zunächst nicht allzu vielversprechend aus, was die Schönheit Prags betrifft, doch führte uns die U-Bahn ganz schnell in attraktivere Gebiete der Stadt. Über den Wenzelsplatz ging es in die Staré Město, die Altstadt.

Wir verbrachten eine Weile in der U-Bahn-Station Starom&#283stská und warteten auf einen Moment, in dem keine Menschen vorbeilaufen würden. Ein geschäftiger Ort ist es allemal, aber es gelang mir, in dem kurzen Zeitfenster den Auslöser zu drücken und vier Sekunden zu belichten.

In der Nachbearbeitung hellte ich auf, entfernte störende Elemente und spiegelte das Bild in der Mitte, um die perfekte Symmetrie zu erreichen. Außerdem zog ich die Färbung der Lichter ein wenig ins Blaue.




Ort der Aufnahme

Das Einchecken im Hotel war erst später möglich, also besuchten wir noch ein Fotoziel, auf das ich mich sehr freute – den Turm des Altstädter Rathauses. Für 20 Kronen ging es nach oben zur hübschen Aussicht, doch noch besser fand ich das Innere des Turms, in dem sich ein verrückter Fahrstuhlschacht befindet. Das Ding ist halt schief gebaut, was sich auch auf dem Foto widerspiegelt, dennoch wirkt es ziemlich gut.

An dem Foto verfremdete ich im Nachhinein nicht viel, um den historischen Charakter der Gemäuer im Gegensatz zum modernen Fahrstuhl zu erhalten. Lustig übrigens, wie viele Leute plötzlich auch fotografieren, sobald man dort mit Stativ rumsteht und die richtige Perspektive sucht.

Auf dem Turm herrschte ein ziemliches Gedränge, schön war es trotzdem. Diese Aussicht würde mich mal im Winter reizen, mit Schnee auf den Dächern und rauchenden Schornsteinen.


Ort der Aufnahme

Angekommen im Bezirk Střížkov suchten wir erst einmal zwei Stunden lang unser Hotel. Ein blauer Plattenbau, auf dem der Schriftzug „A&O-Hotel“ prangen sollte. Schlecht nur, dass alle anderen Gebäude auch Plattenbauten und oftmals sogar blau waren.

Noch dazu kam unser Mangel an mobilem Internet und auch die Einwohner hatten leider keine Ahnung, wo das Teil steht. Auf dem Stadtplan war Střížkov nicht mehr verzeichnet.

Wir sponnen Verschwörungstheorien, man hätte uns abgezockt, wir müssten im Bahnhof schlafen und so weiter, als es schließlich – nach aller verlorenen Hoffnung – doch noch vor uns auftauchte.

Eigentlich wollten wir längst wieder im Stadtzentrum sein, um die blaue Stunde aufzunehmen, doch die verging zu dem Zeitpunkt schon. Also checkten wir ein und gingen schlafen, um am nächsten Morgen zu schauen, was Prag im Sonnenaufgang so zu bieten hat.

Tag 2

4 Uhr, der Wecker klingelte. Ja, um 4 Uhr. Aber wir waren ja nicht zum Entspannen hier oder was man sonst so im Urlaub macht. An die Moldau sollte es gehen, auf die allseits bekannte Karlsbrücke.

Die war überraschend bevölkert von anderen Fotografen, Betrunkenen und zwei amerikanischen Jungs, die uns ihre Deutschkenntnisse vorführten. Nur der erhoffte Nebel blieb aus. Immerhin kam es noch zu diesem silhouettenhaften Foto der Altstädter Turmlandschaft.


Ort der Aufnahme

Danach ging es im besten Morgenlicht zum nächsten großen Ziel – dem Dancing House. Erbaut nach Plänen von Frank Gehry und Vlado Milunić steht es irgendwie unpassend und doch ästhetisch zwischen den Altbauten. Ich bediente mich eines Graufilters, um den regen Verkehr auf der Straße unsichtbar zu machen.

Das gelang nicht völlig, aber ich mag die leichten Spuren, die übrig blieben. Ansonsten hellte ich auch hier auf und entfernte die doch sehr störend wirkenden Bahnleitungen. Vor allem hatte ich einfach nur Glück mit dem Licht.


Ort der Aufnahme

Nach dem Frühstück (und dem Mittagsschlaf) ging es endlich zur Glühlampen-Treppe im „Haus zur Schwarzen Madonna“. Ein Gebäude im kubistischen Stil, mit einem Museum, einem Cafe, in dem einst Kafka gastierte und natürlich dieser originell geformten Treppe. Ein tolles Teil. Von unten übrigens wesentlich besser zu fotografieren als von oben.

Man kann sich stundenlang dort aufhalten und die Perspektiven ausprobieren. Nach etwa 40 Minuten fand ich dann sogar eine, mit der ich ziemlich zufrieden war. In der Nachbearbeitung geschah nicht viel, lediglich den Beschnitt und die Kontraste passte ich an.


Ort der Aufnahme

Ein ebenfalls wichtiges Ziel war ein Aussichtspunkt auf einer Erhöhung im Stadtteil Holešovice. Auf dem Weg dahin fotografierte ich noch die U-Bahn-Station Hrad&#283anská im Abendlicht, das einen schönen Kontrast zum blauen Glasdach darstellte.

Auch dieses Foto spiegelte ich der Symmetrie zuliebe in der Mitte. Außerdem sah die linke Seite einfach unschön aus. Weiterhin verstärkte ich die Farben und wählte den quadratischen Beschnitt.


Ort der Aufnahme

Nach einigem Suchen im fortschreitenden Sonnenuntergang erreichten wir endlich den Aussichtspunkt, den wir sogar ganz für uns hatten. Hatte ich anders vermutet. Jedenfalls sah das alles super aus von dort oben und ich machte mich ans Fotografieren. Es kam ein altes M42-Objektiv mit 50mm Brennweite zum Einsatz, das ich per Adapter an die Canon schraubte.

Wirkt, wie ich finde, sehr gut bei Nachtaufnahmen. In der Nachbearbeitung reduzierte ich die Intensität der Gelbtöne, hob das Blau hervor und färbte es gleichzeitig etwas metallischer.


Ort der Aufnahme

Dann schauten wir noch beim nunmehr nächtlich angestrahlten Dancing House vorbei, bevor wir schließlich schlafen gingen und ich bemerkte: „Oh, ich hab‘ ja Fieber!“.

Tag 3

10 Uhr – keine Anzeichen einer Krankheit mehr vorhanden. Die Pizza in der Nacht hatte offenbar heilende Kräfte, also konnten wir die zwei verbleibenden Ziele doch noch abgrasen.

Erst einmal aus dem Hotel ausgecheckt, dann fuhren wir zur schwedischen Botschaft, wo sich eine schöne Treppe verbirgt. Leider konnten wir weder Schwedisch noch Tschechisch, was uns keine gute Ausgangssituation bot, als es galt, die Sekretärinnen von unserem Vorhaben zu überzeugen.

Die Treppe befindet sich nämlich in dem Teil des Gebäudes, in dem die Diplomaten wohnen, sodass man dort offenkundig nicht einfach mal so reinspazieren kann. Glücklicherweise sind wir aber total sympathisch und die First Secretary gewährte uns den Eintritt.


Ort der Aufnahme

Nun blieb nur noch die Narodni Technicka Knihovna, die Technische Nationalbibliothek, übrig. Ein recht großer, moderner Bau, in seiner Umgebung irgendwie unwirklich und deplatziert wirkend, doch gerade das fand ich reizvoll.

Das Wetter war mittlerweile nicht mehr so toll, ein Foto fand ich dann jedoch trotzdem ganz gut. Ich nutzte den Graufilter, nur sieht man das leider kaum, da große Wolkenbewegungen leider ausblieben. Ansonsten hellte ich vor allem den unteren Bereich auf.


Ort der Aufnahme

Wenige Stunden später fuhr der Bus. Es regnete nun sogar, wie das an letzten Urlaubstagen halt das Klischee ist und am Abend hatte Dresden uns mit drückenden Füßen, schmerzenden Schultern und vollen Speicherkarten wieder.

Fazit

Allgemein ausgedrückt: Prag ist super! Selbst ohne Fokus auf Architekturfotografie und meinen Location-Plan hätte ich mir dort die Speicherkarten vollpacken können, denn es steckt an jeder Ecke irgendein Motiv.

Die unzähligen schönen Altbauten, Details in den Gassen und Straßen und vor allem gibt es etliche Möglichkeiten für die Streetfotografie, die ja auch sehr interessant ist. Aber das mache ich dann beim nächsten Mal.

Was dem Fotograf in Prag wohl am meisten zugute kommt, ist die U-Bahn. Mit ihr kommt man von den Randbezirken innerhalb von maximal 15 Minuten ins Stadtzentrum. Zudem verkehren die Züge aller drei Minuten, sodass ein etwaiges Verpassen nicht wirklich schlimm ist.

Das hat mich als Bewohner einer Stadt ohne U-Bahn, in der jedes knappe Verpassen der Bahn mit mindestens zehnminütigem Warten gestraft wird, wirklich begeistert.

Prinzipiell ist Prag jedem zu empfehlen, nicht nur uns fotografisch Interessierten. Bisher besuchte ich noch nicht allzu viele Städte. Doch auch, wenn sich das vermutlich ändern wird, bleit Prag wohl immer eine der schönsten.

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