29. August 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Die beste Kamera

Dieses Thema ist überladen, ich weiß es. Allein schon der Titel lässt den alten Blogger in mir gähnen und dennoch glaube ich, dass es nie zu spät ist, hier öffentlich ein Statement zu hinterlassen. Denn wen interessieren schon alte Artikel? Eben.

Die beste Kamera. Ich möchte nicht wissen, wie viele Stunden junge Leute damit verbringen, sich über diese Frage den Kopf zu zerbrechen, ISO-Werte miteinander zu vergleichen und dann in den müden Geldbeutel zu schauen. Meist stehen im Schrank schon ein paar, aber das ist ja nur die alte analoge von Opa und die letzte Nikon bringts irgendwie auch nicht mehr.

Und ja, ich kenne das Gefühl auch, auf einer Messe eine fette Kamera in der Hand zu halten und zu denken: woa. Bei mir war es eine digitale Hasselblad. Ja, auch ich fand das krass. Ich bin kein konservativer Zombie, der um jeden Technikschnickschnack einen Bogen macht. Natürlich sehe ich mir auch so manche Sachen an, jedoch ereilt mich meist die Langeweile nach nicht allzu langer Zeit.

Aber halt, stopp. Einen Moment nachdenken, bitte. Als ich die Hasselblad damals in der Hand hielt und nachts so überlegte, wurde ich mir bewusst, wie bescheuert es eigentlich war, ernsthaft darüber nachzudenken, für so ein goldenes Kalb zu sparen. „Was will ich eigentlich fotografieren? Pffft. Keine Ahnung. Landschaft? Oa. Street? Auch geil. Hochzeiten? Warum nicht.“ Je mehr ich reflektierte, wie unreif ich in meinem Selbstfindungsprozess noch war, umso weiter rückte die Hasselblad weg und meine olle, gar nicht glitzernde, regenbogenfreie EOS 30D viel näher.

Und ja, später kaufte ich mir die 5D, weil ich genervt war von der Auslöseverzögerung der 30D (die hatte echt ’nen Sparren) und meiner Begrenztheit, in dunklen Kirchen anständig zu fotografieren.

Und genau das, liebe Einsteiger, genau das ist es, was ich Euch wünsche: Genervtsein. Nicht Gadget-Geilheit, sondern Genervtsein. Von den Grenzen der Kamera, die ihr abertausende Male benutzt habt und die jede Möglichkeit versagt, die Grenzen zu umgehen. Dann ist es Zeit für eine neue Kamera. Aber vorher? Das ganze Blingbling der Abertausend Kameras, die von allen Seiten angepriesen werden? Die X100? Die 5D Mark III? Leica Monochrom?

Drauf geschissen. Verliebt Euch in gute Bilder, nicht in Gadgets. Denn das ist das Feuer, das Euch dabei hält, jeden verdammten Tag Fotos zu machen. Denn die Begeisterung für ein Gadget hält meist nicht lange. Aber die Leidenschaft für die Fotografie selbst, für abstruse, komplizierte, krasse, bewegende, beängstigende oder authentische Bilder, die kommt von der Liebe zum Bild.

Und wenn Ihr Inspiration braucht, dann kauft Euch einen geilen Bildband. Brüht Euch einen frischen Kaffee auf, setzt Euch in Euren Sessel und taucht ein in die Welt großartiger Fotografen. Besucht Ausstellungen, kommt in Berührung mit Bildern, die Euch etwas geben, was nicht von dieser Welt ist.

Und dann nehmt die beste Kamera, die Ihr habt und fangt an. Aber wiedersteht diesem grässlichen Loop, der so geht: Immer nur angeboten bekommen, was derjenige gerade nicht hat. Je früher Ihr da aussteigt, umso besser.

Und die beste Kamera? Die gibt’s nicht. Nein, es ist auch nicht die, die ihr gerade in der Hand habt. Denn auch die hat irgendwelche Macken, weil sie nicht das hat, was die nächste vom anderen Hersteller bringt. Keine Kamera ist eine eierlegende Wollmilchsau. Und das muss sie auch gar nicht sein – diesem Anspruch kann und wird nie eine einzige Kamera gerecht werden.

Wichtig ist, irgendeine Kamera zu haben und irgendwo anzufangen. Und dann der Spur des Herzens zu folgen und nicht davon abzulassen. Egal, was die anderen denken. Schön ignorieren.

Beim nächsten Fotografentreffen, wenn fette Kameras herumgereicht werden? Lasst Euch davon nicht blenden, die eigene Kamera in der Tasche und fragt die Leute mal, wie sie ihre Bilder komponieren und was sie zum Fotografieren bewegt. Warum sie die fette Kamera gekauft haben und wohin die Reise gehen soll.

Und wenn Ihr dann nach Hause kommt, schaut Euch die analoge von Opa vielleicht doch mal an. Wer weiß, was sich in diesem alten verstaubten Ding verbirgt.

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