02. Juli 2012 Lesezeit: ~4 Minuten

Camera Work. The Complete Photographs

Was Bildbände und Bücher über Fotografie und Kunst angeht, bin ich oft so eine Art Impulskäufer. Der Moment, in dem ich auf ein Buch in der Auslage oder online aufmerksam werde, muss mit der Stimmung und – je nach Preis des Werkes – auch mit meinem locker sitzenden Geldbeutel zusammenpassen. So war es auch bei „Camera Work. The Complete Photographs“* von Alfred Stieglitz, erschienen beim Taschen-Verlag.

Ich fand das Cover auf den ersten Blick ansprechend, kannte bereits die sehr gute Qualität anderer Bücher des Taschen-Verlages und der Preis – 10€ für 552 Seiten – tat dann sein Übriges dazu, mich keinen Augenblick länger zweifeln zu lassen. Der Spontankauf wanderte in den virtuellen Einkaufswagen.

„Camera Work“ stellte sich für mich als absoluter Glücksgriff heraus. In diesem Ziegelstein von einem Bildband sind über 460 Fotografien vom Anfang des 20. Jahrhunderts versammelt. Inhaltlich bilden sie neben dem Schwerpunkt Portrait auch viele Akte, Landschaften, das Großstadt- und dörfliche Leben, Straßenszenen, Architektur und Details ab.

Vor allem fesselt mich an dieser Sammlung der Stil der Fotografien. Man muss bedenken, mit welcher Technik um 1900 gearbeitet wurde, wie Fotos also aufgenommen und reproduziert wurden. Dementsprechend ist hier natürlich keine gestochen scharfe Hochglanz-Fashionfotografie in schreienden Farben zu erwarten. Sondern eher so etwas wie das Gegenteil.

Diese Fotos sind etwas für alle, die alte Fotografie lieben. Denen das grobe Filmkorn zusammen mit der starken Struktur des Papiers, auf dem die Bilder damals reproduziert wurden, bereits beim Betrachten eine Ahnung der Haptik vermittelt. Etwas für Liebhaber von Sepiatönen, harten Kontrasten, surreal-fotografischen Experimenten und Unschärfen.

Erst nach ausführlicher Betrachtung der einigen Hundert Fotografien widmete ich mich auch dem Begleittext des Buches, einer etwa 28-seitigen Kurzbiografie von Pam Roberts über Alfred Stieglitz, seine Galerie „291“ und seiner Zeitschrift „Camera Work“. Denn das vorliegende Buch präsentiert chronologisch alle Fotografien, die besagter Alfred Stieglitz in den 50 etwa vierteljährlich erschienen Ausgaben der Zeitschrift „Camera Work“ von 1903 bis 1917 veröffentlichte.

Damit ist man mitten drin im Einblick in ein Leben, das jemand ganz und gar der Fotografie und später der Kunst verschrieben hatte. Bereits als junger Mann war Stieglitz dem Charme der Fotografie erlegen und produzierte selbst schon Bilder, die mit Preisen ausgezeichnet wurden. Er war aber nicht nur einfach Fotograf, sondern eher ein Multitalent.

Alfred Stieglitz war außerdem Galerist, Autor, Verleger und Ausstellungsorganisator. Seine Fähigkeiten in allen Gebieten setzte er dafür ein, der Fotografie zur Anerkennung als eigenständige Kunstform zu verhelfen. Er sollte einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die Kunst nicht länger nur als abbildendes Medium verstanden wurde.

Die fotografischen Sezessionsgruppen der damaligen Zeit, von denen Stieglitz beeinflusst war, waren der Überzeugung, dass nur Amateure die Freiheit hatten, wahre Kunst zu schaffen, da sie im Gegensatz zu Berufsfotografen nicht vom finanziellen Erfolg ihrer Arbeiten abhänig waren.

In der Folgezeit war er Mitglied verschiedener Fotografengruppen oder an ihrer Gründung beteiligt. Einige gaben Magazine als ihr Sprachrohr heraus, in denen neben Clubinterna auch Texte zur Fotografie, Essays, Ausstellungsbesprechungen oder bereits in anderen Magazinen veröffentliche Artikel noch einmal erschienen.

Stieglitz nutzte diese Magazine verstärkt auch als Präsentationsfläche für Fotografien, die seiner Vision entsprachen. So war er Herausgeber des The American Amateur Photographer und der Camera Notes, wo er im Grunde für sein eigenes Magazin Camera Works geübt hatte, das ab 1903 erschien.

Immense Mengen an Zeit und eigenem Geld investierte er vor allem in die meisterhafte Perfektionierung der Photogravure, dem Druckverfahren, in dem die Abbildungen für sein Magazin hergestellt wurden. Diese überwachte er persönlich und korrigierte sie selbst, wo immer sie nicht seinen hohen Ansprüchen genügten.

Das war allerdings erst der Anfang seiner leidenschaftlichen Hingabe für die Fotografie. Es folgten viele Jahre voller Höhen und Tiefen bei Camera Work und seiner Galerie 291, die Ihr im Detail in „Camera Work“ nachlesen solltet, wenn Euch dieser Blick in die Geschichte bis hier hin gefesselt hat.

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