30. Mai 2012 Lesezeit: ~7 Minuten

Im Gespräch mit Brandon C. Long

Ein Fotograf, den ich schon länger bei Flickr verfolge, ist theonlymagicleftisart. Er fotografiert ausschließlich Polaroidbilder, aber das ist noch nicht der Grund, warum er mich begeistert. Erstaunlich ist für mich, wie er dieses Medium nutzt.

Jedes Bild scheint eine Geschichte zu erzählen und seine Polaroids besitzen eine großartige, sehr mystische Atmosphäre. Im folgenden Interview hat uns Brandon Long, der für diese tollen Fotos verantwortlich ist, einige Fragen beantwortet.


Selbstportrait; Brandon Long

Du nennst Dich selbst „theonlymagicleftisart“ – ein Name, der eine Aussage enthält. Aber dazu später. Kannst Du uns zuerst erzählen, wer sich hinter diesem Namen und den großartigen Polaroids verbirgt?

Mein Name ist Brandon C. Long. Ich begann mit der Polaroidfotografie Ende des Jahres 2010 und bin dann Anfang des Jahres 2011 ausschließlich auf Sofortbild umgestiegen. Ich habe mich mir selbst immer als Filmemacher ausgemalt, Drehbücher schreibend und bei meinen eigenen Filmen Regie führend.

Aber ich hatte nie Zugang zu Schauspielern oder Filmteams und auch nicht die Motivation, selbst so eine Gruppe auf die Beine zu stellen. Ein Freund ermutigte mich dann, mit Kleinbildfilm zu fotografieren, um das Filmemacher-Loch zu schließen.

Also nahm ich die alte Olympus OM2 meines Vaters und ging in die Stadt. Ich war nie besonders mit der Ästhetik meiner Fotografien zufrieden, veränderte immer die Farben und Töne, um diesen „speziellen Look“ zu erreichen, den ich mir vorstellte. Am nächsten kam ich ihm, indem ich abgelaufene Filme kaufte.

Jedenfalls erzählte mir schließlich eben jener Freund von The Impossible Project. Ich suchte im Bildarchiv von Flickr nach Polaroids und es war, als würde mir buchstäblich ein Licht aufgehen! Das war genau das, was ich die ganze Zeit gesucht hatte. Ein Medium, das perfekt jeden visuellen Aspekt akzentuiert, den ich erreichen wollte, wenn ich meine Bilder von Kleinbildfilmen bearbeitete.

Ich hatte keine Ahnung, dass Polaroids so vielseitig und filmisch sein können. Einer der wichtigsten Punkte für mich war jedoch, dass Polaroids, vor allem nebeneinander angeordnet, wie ein Storyboard für einen Film aussehen. So begann ich, einen Stil zu entwickeln, bei dem ich mit jedem Bild, das ich mache, eine Geschichte weitererzähle.

Dein wunderschöner Stream bei Flickr beginnt auch 2010 mit den ersten Polaroids. Das war ja eine Zeit, in der The Impossible Project gerade erst damit begann, wieder Filme herzustellen. Du hast also in einer sehr schweren Zeit für das Sofortbild angefangen.

Ich denke, es gibt keinen anderen Grund, warum ich gerade in dieser Zeit begann mit Sofortbild zu arbeiten, als dass ich Polaroids einfach liebte. Ich habe mich nicht groß um Ausgaben und Kosten gekümmert, weil ich wusste, dass es für mich keine Verschwendung ist.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es gar nicht so einfach ist, ein gutes Polaroidfoto zu machen. Das Filmmaterial ist oft unberechenbar. Bei Deinen Fotos passen diese kleinen „Filmfehler“ aber oft unglaublich gut ins Bild. Wie machst Du das?

Das ist schwer zu erklären. Aber das ist genau der Zauber, der meine Liebe zum Polaroid geweckt hat. Manchmal hat ein Film konsequent die gleichen „Fehler“ in der gesamten Packung. Wenn ich den „Fehler“ auf den ersten paar Polaroids sehe, versuche ich also, ihn zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich überlege, wie der Rest des Polaroids dazu wirkt und wie dieser „Fehler“ das Bild ergänzen kann, anstatt dagegen zu arbeiten.

Auf den meisten Deiner Bilder spielt eine Person in einem langem Mantel die Hauptrolle. Meist steht sie mit dem Rücken zu uns, so dass man das Gesicht nicht erkennen kann. Kannst Du uns etwas zu dieser Figur erzählen?

Ich nehme an, dass Du die Figur im blauen Mantel meinst. Das ist eine fortlaufende Serie, inspiriert durch Joseph Campbells Schriften zum Motiv der Heldenreise. Ich habe vor, mich in der nahen Zukunft detailliert in den Monomythos zu vertiefen, indem ich jede Station des Zyklus vom Anfang bis zum Ende erforsche.

Inspirieren Dich Bücher oft? Und was bringt Dich sonst auf neue Bildideen?

Bücher inspirieren mich auf jeden Fall, aber noch mehr beeinflussen mich ikonische Bilder und Illustrationen, die mich auf neue Ideen bringen. Nicht zu vergessen die riesige Bibliothek von Filmklassikern. Nur selten möchte ich etwas fotografieren, was zu modern aussieht. Es sei denn, es hat mit Science Fiction zu tun oder einem surrealen Teenagertraum.

Welche Polaroidkameras nutzt Du und hast Du momentan einen Lieblingsfilm?

Ich verwenden eine Vielzahl von Polaroid-Kameras: SX-70, 680SLR, Polaroid 195 und die Polaroid 600se. Aber meine Lieblingswaffe ist normalerweise die SX-70, wegen des angenehmen Faltmechanismus und dem dabei verwendeten Integralfilm.

Wenn Du einen Polaroidfilm selbst entwickeln könntest, welche Eigenschaften und Möglichkeiten sollte er haben?

Wenn ich die Fähigkeit hätte, einen Polaroidfilm selbst zu entwickeln, dann müsste er die Flammen des Time-Zero-Films in jeder Filmpackung gleichmäßig verteilt haben. [Anm.: Gemeint sind Bildfehler, die auf Bildern des Polaroidfilms „Time Zero Supercolor“ auftreten konnten und durch ihre Formen und gelborange Färbung stark an Feuer erinnern.] Und abhängig von der Umgebungstemperatur sollte die Farbpalette des Films sich komplett verändern können. Oder vielleicht ein Infrarot-Polaroidfilm – aber das würde auch neue oder stark umgebaute Kameras erforderlich machen.

Du nennst Dich selbst „the only magic left is art“. Kannst Du erklären, was diese Aussage für Dich bedeutet? Warum ist sie für Dich wichtig?

Ich denke, die Bedeutung auf den Punkt gebracht, ist diese: Die Anerkennung des übernatürlichen Elementes der Kunst, wie unerklärlich es ist, wie oder warum wir Kunst machen und woher sie kommt. Es ist letztlich ein Spiegelbild unserer „göttlichen“ Natur. Was auch immer für jeden die Interpretation von „göttlich“ sein mag. Es ist etwas, das größer ist als wir.

Es ist für mich persönlich sehr wichtig, denn ich denke, dass es mich durch die schwersten Teile meines Lebens geführt hat.

Wer sind die Menschen auf Deinen Bildern und wie reagieren sie auf die Polaroids? Verstehen alle die Bildatmosphäre oder würden sie hin und wieder eine digitale Variante der Szene bevorzugen?

Die meisten Menschen auf meinen Bildern sind Freunde. Einige sind auch Modelle, die ich durch andere Fotografen kennengelernt habe. Ich hatte bisher nur positive Resonanz von allen, die Teil meiner Arbeit waren.

In der Regel erkläre ich nicht genau, was ich festzuhalten versuche. Ich gebe nur die Pose vor. Modellen gebe ich ein paar mehr Informationen, denn sie verstehen, wie sie es umsetzen können.

Vielen Dank für das Interview!

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Wer mehr von Brandons Bildern sehen will, dem sei sein Flickrstream ans Herz gelegt. Ihr könnt ihn auch auf Facebook oder 500px verfolgen.

Das Interview habe ich mit Brandon auf Englisch geführt und anschließend ins Deutsche übersetzt.

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