25. Mai 2012 Lesezeit: ~9 Minuten

Festbrennweiten von Walimex

Achtung! Es folgt ein Testbericht. Ja, Ihr habt richtig gelesen: Testbericht. Für diejenigen, die jetzt denken: „Hä, Testberichte auf KWERFELDEIN?“ – Keine Sorge.

Ich habe weder die tatsächliche Auflösung eines Sensors der Kamera XY getestet, noch habe ich mit einem bestimmten Objektiv irgendwelche seltsamen Testkarten abfotografiert. Da guck‘ ich mir lieber das Testbild nach Sendeschluss an. Sendeschluss? – Egal…

So – was habe ich denn getestet?

Manche von Euch haben sicherlich schon einmal von den vergleichsweise günstigen, aber dennoch sehr lichtstarken Festbrennweiten von Walimex gehört. Ich wollte einfach wissen, warum die Dinger so günstig sind und wie schwer die eventuellen Abstriche wiegen. Irgendwo muss ja schließlich ein Haken sein, wenn man für eine Festbrennweite mit 85mm und f/1.4 nur 299€ auf den Tisch legen muss. Aber dazu später mehr.

Erst einmal gilt mein Dank der Firma Foto Walser, die mir freundlicherweise das eben angesprochene Walimex pro 85/1.4 IF Objektiv und das Walimex pro 14/2,8 Weitwinkelobjektiv für diesen Bericht zur Verfügung gestellt haben. Ob man unbedingt ein „pro“ in den Namen des Objektivs packen muss, lasse ich jetzt mal unkommentiert.

Ein paar technische Daten müssen ja leider sein, sonst macht so ein Bericht irgendwie auch keinen Sinn. Und letztlich möchte ich ja herausfinden, ob es sich lohnt, ein günstiges Walimex zu kaufen oder doch lieber etwas länger zu sparen und bei der deutlich teureren Konkurrenz zuzugreifen. Daher muss man ja gezwungenermaßen ein wenig vergleichen:

Das 85mm ist 72mm lang, 78mm im Durchmesser und wiegt 480g. Alles im Rahmen also. Die Lichtstärke von f/1.4 ist eigentlich über jeden Zweifel erhaben. Okay, Größe und Gewicht sind jetzt vielleicht die langweiligsten aller technischen Details, aber man kann vom Gewicht her schon ein wenig auf die Qualität der Verarbeitung schließen. Zum Vergleich: Das Sony SAL-85F14Z wiegt 560 g und kostet übrigens das 5-Fache. Das Walimex scheint zumindest schon einmal kein Plastikeimer zu sein, wie viele der günstigen Einsteiger-Objektive, die man überall findet.

Das Objektiv ist innenfokussierend mit einer Naheinstellgrenze von ca. 1 Meter (beim Sony SAL-85F14Z sind es 85 cm). Das Objektiv besitzt 9 Linsen in 7 Gruppen und es handelt sich hier um eine Technik, bei der zum Scharfstellen nicht alle, sondern nur eine oder wenige Linsengruppen im Inneren verschoben werden. Das Filtergewinde mit 72mm Durchmesser dreht sich nicht beim Fokussieren des Objektivs und der Schwerpunkt bleibt nahezu gleich. Das Objektiv verfügt über eine Achtblätter-Blende, die sehr plastische Lichteffekte ermöglicht. Damit die Lichttransmission auf einem sehr hohen Niveau bleiben kann, wurden alle Linsen mit Antireflexschichten bedeckt.

Das 14mm ist 95,6mm lang, 87mm im Durchmesser und wiegt 530g. Es gibt bestimmt irgendwo lichstärkere Weitwinkelobjektive, aber f/2.8 ist ja jetzt nicht unbedingt schlecht. Auch hier ein ähnliches Objektiv von Sony zum Vergleich: Das SAL-20F28 wiegt 285g, ist aber mit 53mm Länge auch deutlich kürzer. Ehrlich gesagt wundert es mich auch ein bisschen, dass ein 14mm-Objektiv fast 10cm lang ist, aber das soll mich eigentlich nicht weiter stören.

Die überragende Abbildungsleistung ist dem optischen Linsensystem zu verdanken. Dieses besteht aus zwei asphärischen ED-Linsen (Extra Low Dispersion), welche die chromatische Aberration verringern. Somit entstehen Aufnahmen mit einer ausgewogenen Farbbalance. Die fest verbaute Gegenlichtblende verhindert zudem den störenden, seitlichen Lichteinfall und Linsenreflexionen, die zu Kontrastverlust führen würden.

Das klingt ja alles eigentlich ziemlich gut. Und ich muss ehrlich zugeben, ich war trotzdem noch mehr als skeptisch. Als das Paket ankam, war ich wirklich gespannt, was mich denn jetzt erwarten würde. Ich dachte: „Pass auf, jetzt fällt dir bestimmt so’n Plastikding in die Hand, wie die günstigen 50mm 1.8er Varianten von Canon, Nikon oder Sony.“

Weit gefehlt! Die Objektive sind wirklich hochwertig verarbeitet. Kein Plastik, alles aus Metall, schön schwer. Fühlt sich alles sehr wertig an. Okay! Nun also dranklemmen, fotografieren und testen.

Wie gesagt, ich habe keine Testkarten fotografiert und ich wollte auch nicht wissen, ob das Objektiv zum Rand hin vielleicht etwas unschärfer wird. Ich habe einfach beide Objektive so genutzt, wie ich auch meine vergleichbaren benutze. Da ich hauptsächlich Landschaftsfotos mache und ab und zu mal jemanden portraitiere, passte das ganz gut.

Und auch hier war ich – wie bei der Verarbeitung – von der subjektiven Bildqualität absolut überzeugt. Die Landschaftsbilder des 14mm sind knackscharf und die Schärfe des 85mm in Verbindung mit dem echt sahnigen Bokeh bei Offenblende sehen wirklich lecker aus. Und wie war es so, damit zu fotografieren? Nervt der Autofokus rum oder stimmt sonst irgendetwas nicht? Passen die Dinger denn richtig an den Anschluss?

Wo ist verdammt nochmal der Haken?

Was man in der ersten Euphorie über den günstigen Preis vielleicht übersehen kann, ist, dass es sich um komplett manuelle Objektive handelt. Was heißt das? Kein Autofokus und auch sonst kann man nicht wirklich viele Einstellmöglichkeiten der Kamera nutzen, weil das Objektiv keinerlei Daten an die Kamera weitergibt.

Das heißt, dass Ihr im M-Modus fotografieren müsst und dass Ihr manuell fokussieren müsst. Auch die Blende müsst Ihr direkt am Objektiv einstellen. Durch die wirklich tolle Verarbeitung macht es aber auch richtig Spaß, manuell zu fokussieren. Der Fokussierring läuft nicht zu leicht und nicht zu schwer – sondern genau so, wie es sein soll. Etwas, was ich von den günstigen 50mm 1.8er Festbrennweiten nicht behaupten kann.

Wenn man also eher dazu neigt, das zu fotografierende Motiv genau zu betrachten, sich beim Fotografieren Zeit lässt und nicht unbedingt Schwerlastzüge im Vorbeifahren fotografieren möchte, kann sich manuelles Fokussieren sogar entschleunigend und somit positiv auf das Fotografieren auswirken.

Was allerdings zu einem kleinen Problem werden kann, ist die direkte Blendenwahl am Objektiv. Dadurch blendet das Objektiv auch wirklich direkt ab. So, als würdet Ihr, sofern Ihr eine habt, die Abblendtaste drücken. Soll heißen, der Sucher wird bei höheren Blendenzahlen deutlich dunkler, was es dann leider manchmal schwierig machen kann, die Schärfe zu beurteilen.

Das ist besonders beim Einsatz des 14mm im Landschaftsbereich je nach Lichtverhältnissen etwas fummelig. Da kann dann aber, je nach Kamera, der vergrößerte Live-View-Modus recht hilfreich sein. Apropos 14mm im Landschaftsbereich: Irgendwie kam meine Kamera mit der Lichtmenge nicht immer wirklich zurecht. Nicht immer stimmte die empfohlene Belichtungszeit, die ich im Sucher gesehen habe. Das war teilweise etwas verwirrend.

Ansonsten sind es wirklich sehr gute Objektive, die ihrer automatischen Konkurrenz in Sachen Bildqualität in nichts nachstehen. Das fehlende Filtergewinde am 14mm stört mich allerdings ein bisschen. Aber es gibt ja auch andere Mittel und Wege, einen Filter anzubringen.

Wer also eher langsam fotografiert, wer hauptsächlich ruhenden Motive fotografiert, wer sich Zeit lassen möchte beim Fotografieren, wer gerne mit geringer Schärfentiefe arbeitet, der sollte sich die Walimexe durchaus mal genauer ansehen.

Solltet Ihr Euch aber eher dazu berufen fühlen, ein Formel-1-Rennen zu dokumentieren, dürfte das manuelle Einstellen am Objektiv doch ein wenig zu langsam sein. Ich möchte hier keine allgemeine Kaufempfehlung geben, und auch nicht generell davon abraten. Denn es kommt doch sehr auf den Einsatzbereich an.

Mir persönlich kommen die Objektive jedenfalls sehr entgegen, weil sie einen gewissen Technikfaktor aus der Fotografie nehmen. Ich kann mich nicht mehr komplett auf die Kamera verlassen. Ich muss mir die Zeit nehmen, über mein Motiv und darüber, wie ich es abbilden möchte, nachzudenken. Das kann und sollte man natürlich auch mit einem AF-Objektiv tun. Trotzdem wirkt das Manuelle auf mich aber sehr entschleunigend und das ist gut so!

Und zum Schluss noch einmal ein kleines Fazit in Listenform. Ist ja schließlich ein Testbericht.

Pro:
Preis
Lichtstärke
Verarbeitung
Bildqualität
Manuelles Objektiv

Kontra:
Manuelles Objektiv
Abblenden blendet direkt ab, nicht nur zum Auslösen
Das 14mm hat meine Kamera bei der Lichtmessung etwas verwirrt. Bin mir selbst nicht sicher, was da los war.

Es gibt sicherlich exaktere „Testberichte“ als diesen hier. Ich verliere bei denen aber immer nach drei Zeilen die Lust am Weiterlesen. Letztlich ist es doch eigentlich interessanter zu erfahren, ob ein Fotograf mit einem bestimmten Objektiv in einem bestimmten Einsatzbereich zufrieden ist oder nicht.

Was also mich und die zwei getesteten Festbrennweiten von Walimex angeht: Mit dem 85mm bin ich absolut zufrieden und überlege, es mir anzuschaffen. Wäre am 14mm ein Filtergewinde dran, wäre ich auch damit zufrieden.

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