04. Mai 2012 Lesezeit: ~5 Minuten

Schall und Schnabel

Es mag ungewöhnlich erscheinen, dass wir zusammen fotografieren. Gleichberechtigt und abgestimmt aufeinander. Für uns ist es völlig normal, uns die Menschen zu teilen, die wir uns zum Fotografieren einladen.

Zu zweit fotografieren wir mit Unterbrechungen seit etwa vier Jahren. Angefangen haben wir mit einer Reihe natürlicher Aktaufnahmen. Wir haben Menschen auf immer demselben, weißbezogenen Bett, in derselben Lichtsituation über ein Jahr verteilt fotografiert.

Eine Versuchsanordnung, bei der wir den Anspruch an uns hatten, innerhalb des strikt festgesetzten Rahmens einen neuen, einen anderen Blick auf das Immergleiche zu finden. Und auch, wenn wir uns mittlerweile in anderen fotografischen Bereichen bewegen, haben wir uns anhand dieser Serie fotografisch und in unserer gemeinsamen Arbeitsweise geschult und entwickelt.

Dabei versuchen wir es zu vermeiden, die Menschen, die wir fotografieren, ins Kreuzfeuer zweier Kameras zu nehmen. Aber es ist schon vorgekommen. Im Normalfall aber fotografiert immer nur einer von uns, während der andere pausiert, assistiert und die Zeit nutzt, um eine neue Perspektive einzunehmen.

Häufig werden wir im Vorgespräch oder nach einem Shooting gefragt, wie wir unsere Bilder auseinanderhalten können; wie wir wissen können, wer welches Bild gemacht hat. Gerade andere Fotografen können sich nur schwer vorstellen, ihre Kamera weiterzugeben. Oder dass das Vertrauensverhältnis zwischen abgelichteter Person und Fotograf durch einen weiteren Fotografen verändert, wenn nicht gestört würde.

Natürlich kommt es vor, dass der andere das Bild macht, das man selbst gern geschossen hätte. Sicherlich: Wir beeinflussen einander stark, können aber dennoch auseinanderhalten, wer welches Bild gemacht hat, weil wir unterschiedlich mit dem jeweiligen Menschen interagieren und andere Bildausschnitte wählen.

Zu zweit zu arbeiten, heißt nicht nur, im jeweils anderen den perfekten Assistenten zu haben, der genau weiß, wo Reflektoren und Licht gesetzt werden müssen, sondern gerade in der Retusche, Location- und Modellsuche einander zu unterstützen, immer einen Zweitprüfer an der Hand zu haben. Und bei jüngeren, aufwändigeren Produktionen ist Fotografieren ohnehin die Arbeit mit einem Ensemble an vertrauten Menschen, Visagisten, Assistenten, Stylisten und Designern.

Am Anfang jeder Reihe, wenn wir uns in einen neuen Bereich vorwagen, probieren wir zunächst aus, sofern sich eine Idee nicht im Dialog entwickelt. Die meisten Bildideen entwickeln sich erst im Prozess, intuitiv und experimentell. So entstand im letzten Jahr eine freie Arbeit, an der uns persönlich viel liegt. Wieder eine Versuchsanordnung unter gleichen Lichtbedingungen, im gleichen Raum, schwarzweiß, analog, Bewegungsunschärfen.

Herausgekommen ist eine fortlaufende Reihe von Bildern, die das Figürliche fast verlassen, die einen Ausdruck suchen im Vagen, die tänzerisch sein können, die den manchmal schmalen Grat zwischen Zärtlichkeit und Gewalt ausloten.

Ohnehin, außer wir arbeiten im Bereich der Mode, in dem vieles vorab festgelegt und konzipiert ist, bleibt das Fotografieren zumeist für uns eine Suchbewegung ohne allzu feste Vorstellung davon, wie ein Bild, ein Portrait später auszusehen hat. Es entsteht in der Interaktion mit dem jeweiligen Menschen, ist auf den Zufall angewiesen, auf die Stimmung.

Wir wissen nicht genau, ob die letztliche Fotografie einen Wiedererkennungswert besitzt, auch wenn das unser einziger Anspruch wäre. Und die unbedingte Abwechslung: Mal mehr Mode, mal mehr Portrait zu machen, frei zu arbeiten oder in Abstimmung.

Und wir glauben, es braucht nicht viel, um einen Menschen zu fotografieren. Manchmal ist es ehrlicher, ohne großen Aufwand oder eine komplexe Inszenierung – auch wenn uns das konzeptuelle Arbeiten immer mehr reizt.

Da genügt es, mehrmals ein und denselbem Menschen zu fotografieren, um im gegenseitigen Vertrauen ein Portrait anzufertigen. Zu diesem einen Moment zu kommen, da Fotograf und Fotografierter offen sind, einerseits geöffnet, sich zu zeigen, andererseits bereit, dem Gezeigten zu begegenen. Das kann länger dauern und viele Gespräche erfordern, manchmal aber gelingt es sehr schnell und ohne einander vorher näher kennenzulernen.

Bei der freien Arbeit bleibt natürlich mehr Zeit dafür. Geht es um Mode oder um ein Konzept, das umgesetzt werden soll, ist sich aufeinander einzulassen abhängig von der Stimmung am Set, von den Vorbereitungen und Absprachen.

Manchmal muss man gegen sich arbeiten, gegen das, was man bereits gemacht hat und zu können glaubt, um sich der jeweiligen Situation und dem jeweiligen Menschen zu überlassen. Die Kontrolle abzugeben, also zu vertrauen. Das Wichtigste in der Zusammenarbeit. Als fotografisches Wir.

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