28. April 2012 Lesezeit: ~16 Minuten

Weltweiter Tag der Lochkamera-Fotografie

Der weltweite Tag der Lochkamera-Fotografie findet jährlich am letzten Sonntag im April statt. Jedes Foto, das an diesem Tag mit einer Lochkamera gemacht wird, kann Teil der Galerie auf der Projektwebseite werden. Aus diesem Anlass gibt’s heute den Crashkurs für alle Kurzentschlossenen.

Lochkameras können in ganz unterschiedlichen Formen, Größen und Behältnissen daherkommen, der Fantasie sind hier praktisch keine Grenzen gesetzt. Das Prinzip ist aber immer gleich: Anstatt durch ein Objektiv fällt Licht durch ein winziges Loch ins Innere der Lochkamera und trifft dort auf ein lichtempfindliches Material.

Durch die speziellen Abbildungseigenschaften erhalten Fotos, die mit einer Lochkamera gemacht sind, ihren besonderen Charme. Die sehr kleine Blende sorgt für eine gleichmäßige Schärfe im ganzen Bild, sodass es sehr flächig statt dreidimensional wirkt. Dem gegenüber steht je nach Konstruktion oft ein weiter Blickwinkel, der Linien sehr dynamisch in die Bildmitte zu ziehen scheint.

Das Prinzip der Lochkameras ist schon seit Jahrhunderten bekannt, berühmte Beispiele hierfür sind auch die begehbaren Camerae Obscurae, in denen ein Abbild der Außenwelt ebenfalls durch ein Loch in einer Wand auf die gegenüberliegende Seite projiziert wird.

Hier wird auch ein Teil der Faszination deutlich, die Lochkameras auf ihre Anhänger ausüben: Sie können in einem Ei oder einem Truck eingebaut sein und alles dazwischen geht ebenso. Oder die Lochkamera besteht nur aus Fotopapier oder oder oder.

So schlägt das einfache Prinzip, das all diesen verschiedenen Kameras zugrunde liegt, den weiten Bogen aus längst vergangenen Zeiten zum Heute, in dem es die unendlichen Möglichkeiten von Formen und Materialien weiterhin auszuloten gilt. Ich liebe digitale High-Tech-Fotografie – aber ich liebe auch alles, was erstaunlich simpel ist.

Nachdem ich nun so lang und breit von Lochkameras geschwärmt habe, kommt hier der praktische Teil:

Die Anleitung für eine einfache Streichholzschachtel-Lochkamera

Für die man die benötigten Materialien eigentlich immer im Haus hat und die in ein bis zwei Stunden fertig zusammengebaut und einsatzbereit ist. Natürlich könnt Ihr Euch auch gern direkt einen Schuhkarten oder eine Dose als Behälter vornehmen…

Die Zutaten

– Ein Kleinbildfilm.
– Ein leerer Kleinbild-Filmkanister, aus dem etwas Filmende herausschaut.
– Eine leere Streichholzschachtel.
– Noch etwas zusätzliche Pappe, z.B. die Filmverpackung.
– Ein kleines Stück Alufolie oder geglättetes Stück Getränkedose.
– Etwas schwarzer Müllbeutel oder schwarzes Isolierband.
– Ein gebogenes, schmales, flexibles, nicht zu weiches Stück Plastik.
– Bleistift/Fineliner, Edding oder schwarzer Filzstift, Lineal, Schere, Cutter/Skalpell, Tesafilm und eine Nähnadel.

Dazu ein paar Tipps.

Um im Tageslicht zu fotografieren, sind unempfindliche Filme um ASA 100-200 gut. Für den Innenraumeinsatz darf es auch etwas Empfindlicheres sein. Mit entsprechend langen Belichtungszeiten lassen sich insb. in Innenräumen auch Fotos auf unempfindlichen Filmen machen. Umgekehrt sind empfindliche Filme für den Außeneinsatz wegen der extrem kurzen Belichtungszeiten aber ungeeignet, da der Verschluss ja von Hand geöffnet und verschlossen wird.

Wer Filme selbst entwickelt, kann einen leeren Filmkanister beim Einfädeln des nächsten Films in die Entwicklerspule beiseite legen. Alle anderen können in einem stockfinsteren Raum einen Film vorsichtig aus der Spule rollen, am Ende entsprechend kurz abschneiden und den Film in einem der schwarzen Filmdosen lichtdicht (beschriften!) als weiteren Lochkamera-Film aufbewahren.

Das kleine Stückchen Plastik lässt sich zum Beispiel aus einem kleinen, runden Joghurtbecher o.ä. ausschneiden. Perfekt geeignet ist auch eine Windung einer Plastik-Spiralbindung aus dem Copyshop. Für die richtige Flexibilität ist sonst einfach etwas Experimentieren angesagt.


Zuerst einmal zeichnet Ihr genau auf der Mitte der Unterseite des Pappeinschubs der Streichholzschachtel den Bildausschnitt ein, das normale Kleinbildformat beträgt 3,6 x 2,4 cm. Ihr könnt natürlich auch einen quatratischen oder anders geformten Ausschnitt wählen. Auf der Oberseite der Streichholzschachtel zeichnet Ihr ebenfalls in der Mitte ein kleines Quadrat auf.

Anschließend schneidet Ihr beide mit dem Cutter vorsichtig aus. Insbesondere das Rechtecht für den Bildausschnitt muss sehr sorgfältig ausgeschnitten werden, damit die Kanten gerade und sauber (also frei von Pappfusseln) werden. Diese ragen sonst am Rand unschön ins Bild. Zum Glätten hilft es, mit einer angefeuchteten Fingerkuppe über die Schnittkanten zu fahren.

Um Lichtreflexionen im Inneren der Kamera zu minimieren, malt Ihr die Innenseite beider Teile komplett schwarz an. Die Hülle könnt Ihr dafür an der Klebestelle vorsichtig auseinanderfalten und anschließend wieder verkleben, so kommt Ihr einfacher an die Innenseite heran.


Die Lochblende stellt Ihr her, indem Ihr mit der Nähnadel ganz vorsichtig ein winziges Loch in die Alufolie dreht. Das heißt, nur ganz wenig Druck auszuüben und eher durch Drehbewegungen der Nadel das Loch zu erzeugen. Legt dazu etwas Pappe als weiche Unterlage darunter und dreht abwechselnd von der einen und anderen Seite das Loch.

Geduld und etwas Fingerspitzengefühl sind hier besonders wichtig, damit das Loch möglichst klein (0,1 – 0,5 mm), rund und ohne Grate am Rand wird, so sorgt Ihr für möglichst scharfe Fotos. Ich übertrage vorher das Diagonalkreuz von der Streichholzschachtel auf die Alufolie, so kann ich das Loch genau in die Mitte setzen.

Spätestens jetzt solltet Ihr die Folie einmal gegen das Licht halten, um zu überprüfen, ob wirklich ein kleines Loch in der Folie ist. Abschließend schwärzt Ihr auch die Rückseite der Alufolie und klebt sie ringsherum genau in der Mitte auf der Streichholzschachtel über dem quadratischen Ausschnitt fest.


Für den Verschluss schneidet Ihr aus etwas Pappe einen Streifen aus, der Länger ist als die Vorderseite der Streichholzschachtel hoch. Außerdem ein Quadrat, das kleiner ist als die Streichholzschachtel breit, und wieder einen quadratischen Ausschnitt in der Mitte hat.

Die genauen Maße sind hier nicht so wichtig, Ihr könnt Euch lose an den Fotos orientieren. Das quadratische Pappstück mit dem Ausschnitt wird über dem Loch an drei Seiten auf der Streichholzschachtel festgeklebt. Der Pappstreifen, der als Verschluss dient, wird an der offenen Seite (am besten „oben“) eingeschoben und verschließt so die Lochblende.


Den unteren Teil des Verschlussstreifens könnt Ihr ebenfalls schwärzen. Auf dem oberen Abschnitt habe ich mir außerdem zwei Markierungen gemacht, die mir anzeigen, wie weit ich den Streifen nach oben ziehen oder nach unten schieben muss, um den Verschluss ganz zu öffnen bzw. ganz zu schließen.

So vermeidet Ihr, beim Auslösen herumzuwackeln und auch, immer wieder die eigene Stirn am Bildrand zu sehen, weil Ihr beim Öffnen und Schließen des Verschlusses versucht habt, die Position des Pappschiebers zu überprüfen.

Den schmalen Plastikstreifen klebt Ihr so an Euren frischen Film, dass er ganz leicht in eine der Lochreihen greift. Seine Funktion ist, hörbar zu klicken, wenn der Film weitergezogen wird. Probiert also am besten etwas mit verschiedenen Plastikstreifen und Positionen herum, bis das Stück so sitzt, dass es klickt, aber nicht den Filmtransport verhindert.


Nun schneidet Ihr beide Filmenden ganz gerade ab und fädelt den Film mit der Emulsionsseite (die hellere, matte Seite) nach oben durch die Hülle der Streichholzschachtel. Auf der anderen Seite klebt Ihr ihn fest mit dem Filmende des leeren Kanisters zusammen. Testet vorsichtig, dass diese Verbindungsstelle ohne Probleme in den leeren Filmkanister gleiten kann.

Anschließend wird der Pappeinschub mit dem Bildausschnitt in die Streichholzschachtel geschoben. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um sich die Funktionsweise und die korrekte Zusammensetzung Eurer fast fertigen Lochkamera noch einmal genau anzusehen, damit beim Fotografieren keine Verwirrung auftaucht:

Der Pappeinschub der Streichholzschachtel dient als Bildausschnitt und hält den Film in der richtigen Position, dieser läuft also eingeklemmt zwischen der Unterseite des Einschubs und der Rückseite der Schachtel entlang. Die Emulsionsseite zeigt zur Lochblende und die gefüllte Filmdose steht „kopfrum“, ganz genau wie beim Einlegen von Film in gewöhnliche Analogkameras auch.

Für jedes Foto wird der Pappverschluss auf der Vorderseite der Streichholzschachtel geöffnet und wieder verschlossen. Anschließend wird der Film ein Stück in den bisher leeren Filmkanister (der „richtig herum“ steht) gezogen. Um ihn um die richtige Länge hineinzuziehen, habt Ihr den „Klicker“ am vollen Filmkanister angebracht: Um ein volless Kleinbild weiterzuspulen, müsst Ihr so lange spulen, bis es neun Mal geklickt hat, für andere Bilformate entsprechend mehr oder weniger Klicks.


Um den Film bequem spulen zu können, falte ich etwas Pappe zu einem dicken Stiel zusammen und schiebe ihn in die Achse des leeren Filmkanisters. Von oben betrachtet dreht Ihr also gegen den Uhrzeigersinn, um den Film in den leeren Kanister zu spulen.

Spult den Film so weit vorsichtig hinein, bis beide Filmkanister mit ihren Öffnungen eng am Rand der Streichholzschachtel anstoßen und fixiert sie dort vorn und hinten mit etwas Klebeband. Testet noch einmal, ob der Film in dieser Endposition leichtgängig gespult werden kann und ob Ihr den Klicker hören könnt – evtl. haltet Ihr dazu die Kamera nah ans Ohr.

Zum Schluss umwickelt Ihr die fertige Kamera mit einigen Lagen schwarzem Müllbeutel oder Isolierband. Die Pappschachtel und besonders die Verbindungsstellen zu den Filmkanistern müssen komplett verborgen sein, damit kein Licht durch die Pappe (ja!) oder einen Spalt auf den Film dringt. Lieber etwas zu viel als zu wenig – also dick auftragen.

Ich umwickle die Kamera erst komplett, klebe die Ränder ab und schneide abschließend wieder vorsichtig ein Loch für die Lochblende und einen Schlitz für den Verschlussschieber in den Müllbeutel. Rings um die Lochblende klebe ich das Material fest, damit es nicht ins Bild hineinragen und so den Lichteinfall stören kann.

Was passiert, wenn man es mit der Lichtdichtigkeit nicht so genau nimmt, seht Ihr auf einigen der Schwarzweiß-Aufnahmen, auf denen unregelmäßige weiße Streifen quer über das Bild verlaufen. Dort habe ich die Streichholzschachtel am Rand nicht ausreichend abgedichtet, sodass konstant etwas Licht eingedrungen ist – was eine Menge ist, wenn zwischen zwei Aufnahmen einige Zeit unter freiem Himmel vergeht.

Wenn Ihr Euch davon überzeugt habt, dass alles dicht versiegelt ist, schließt Ihr den Verschlussschieber und spult den Film anderthalb bis zwei Bilder weiter. Glückwunsch, denn nun ist Eure erste Lochkamera bereit zum Einsatz!

Fotografieren mit der Lochkamera

Die winzige Lochblende macht den Charme der Fotos aus und braucht relativ lange Belichtungszeiten. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr insbesondere mit Farbfilm einfach über den Daumen gepeilt belichten. Die Faustregeln für Film mit ASA 100-200 sind: 1-2 Sekunden bei Sonnenschein, 5 Sekunden bei bewölktem Wetter und 5 – 10 Minuten in Innenräumen.

Wer es etwas genauer mag, kann einen Belichtungsmesser und eine der hochgelobten Belichtungstabellen von MrPinhole mitnehmen. In diesen lassen sich die Belichtungszeiten für beliebige (in diesem Fall ca. f/90) Blendenwerte aus gemessenen Belichtungswerten für gängige Blendenwerte ablesen.

Bei den ersten Filmen, die ich mit meiner Lochkamera belichtet habe, war ich sehr im Experimentierfieber und dachte beim Fotografieren die ganze Zeit: „Ach, das passt schon, ist ja alles experimentell und alternativ.“ Bei Belichtungszeiten frei Schnauze mag das Zutreffen, beim Stillhalten aber nicht – zumindest ich finde verwackelte Lochkamerafotos doof.

Stabilisiert Eure Lochkamera also immer so gut es irgendwie geht. Stellt sie auf eine glatte, ruhige Oberfläche und drückt sie mit einer Hand fest an, während Ihr mit der anderen den Verschluss bedient. Klebt oder bindet sie zum Fotografieren auf einem Geländer oder an einer Wand fest. Befestigt insbesondere an sehr leichten Lochkameras wie der oben gezeigten einen schweren Gegenstand unter der Kamera. Baut Euch ein kleines Stativ oder eine Befestigung für die Kamera an Eurem normalen Stativ.

Aber verlasst Euch auf gar keinen Fall nur darauf, die Kamera ruhig zu halten oder sie im Sitzen oder auch Stehen fest an Euch zu pressen. Das reicht einfach nicht aus, weil allein die Atembewegung des Körpers schon ganz ordentlich wackelt. Dazu kommen die Bewegungen beim Öffnen und Schließen des Verschlusses.

Letztere lösen sich übrigens bei besonders langen Belichtungszeiten in Wohlgefallen auf, da die Erschütterungen in Relation zur Gesamtbelichtungszeit nur sehr kurz auftreten. Langzeitbelichtungen bieten sich bei Lochkameras ohnehin an und erzielen interessante Effekte:

Sonst verstopfte Hauptstraßen und beliebte, mit Touristen gefüllte Plätze sind plötzlich menschenleer oder nur von Geisterschemen erfüllt. Im Wind wehende Baumkronen, flatternde Fahnen und fließendes Wasser verschwimmen zu weichen Wolkenschleiern. Sie stehen im spannenden Kontrast zu allen scharf abgebildeten, statischen Objekten im Bild.


Zurückspulen, Entladen und Wiederverwenden

Wenn sich der Film nicht mehr weiterspulen lässt, ist er voll und nun stellt sich die Frage: Wie kommt er aus der Lochkamera wieder raus? Keine Sorge, die Konstruktion berücksichtigt die Antwort auf diese Frage auf ganz elegante Weise:

Der einzige kleine Haken ist der Klicker, der am Filmkanister angebracht ist. Da er in die Perforation greift, würde er den Film zerreißen, wenn Ihr nun einfach zurückspult. Also löst Ihr die Versiegelung am Klicker ganz vorsichtig ein Stück – am besten nicht im prallen Sonnenlicht – bis Ihr den Klicker herausziehen könnt. Dann die Versiegelung wieder schließen.

Den Pappstiel zum Spulen steckt Ihr nun einfach in die Achse des anderen Filmkanisters und spult den Film komplett zurück in diesen Kanister. An den beiden Filmkanistern könnt Ihr nun die Versiegelung lösen und den Film an der Stelle wieder trennen, an der Ihr ihn bei der Konstruktion zusammengeklebt habt.

Wenn Ihr die Lochkamera so vorsichtig zum Entladen geöffnet habt, könnt Ihr sie viele Male wiederverwenden, indem einfach ein neuer Filmkanister eingesetzt, die Filmenden wieder verklebt und die Kamera sorgfältig an den Filmkanistern neu verklebt wird. Es lohnt sich also, einmal alles ganz ordentlich zusammenzubasteln und dann lange immer wieder Freude daran zu haben.

Der belichtete Film lässt sich übrigens in jedem Labor wie gewohnt entwickeln. Wenn die Bildgröße und die Abstände der Bilder im Vergleich zu einem mechanisch belichteten Film allerdings sehr unregelmäßig sind, muss man etwas Glück haben, wenn man den Film bei einem vollautomatisierten Labor abgibt, da können schon einmal Bilder in der Mitte durchgeschnitten werden.

Es kann sich also lohnen, insbesondere die ersten Filme, bei denen noch nicht alles perfekt läuft, eher beim kleinen Fotoladen an der Ecke abzugeben und um etwas Aufmerksamkeit beim Schneiden und Abziehen zu bitten und dafür ein paar Euro mehr zu investieren.

Ich hoffe, dass Ihr nun Lust bekommen habt, vielleicht heute spontan die paar Zutaten für Eure erste Lochkamera zusammenzusuchen, sie zu basteln, mit ihr loszuziehen und morgen ein paar Bilder zum weltweiten Tag der Lochkamera-Fotografie beizutragen. Oder wenn nicht zu diesem Anlass, dann vielleicht später einmal, einfach so.

Vielleicht winkt Ihr aber auch ab, weil Ihr schon alte Hasen im Lochkamera-Business seid. In diesem Fall heißt es natürlich: Pics or it didn’t happen! Wir sind also gespannt auf Eure Beweisfotos, Lieblingslochkamerafotos, Anekdoten und Erfahrungen – her damit, wir spitzen die Ohren.

Die Anleitung ist weitgehend an Alan Coopers Version von www.matchboxpinhole.com angelehnt.

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